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Endometriose: Die unerkannte Krankheit

30.11.2023

Rund 40 000 Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Endometriose, einer Wucherung
der Gebärmutterschleimhaut. Unterleibsschmerzen und unerfüllter Kinderwunsch können die
Folgen sein. Die Diagnose der Krankheit dauert oft Jahre, es fehlt an Aufklärung.

„Ich habe gedacht, ich bekomme ein Kind, so stark waren die Schmerzen“, sagt Jennifer Maier. Die 35-jährige KDFB-Frau aus Vohenstrauß in der Oberpfalz leidet an Endometriose. Der medizinische Begriff Endometrium steht für Gebärmutterschleimhaut. Bei der Krankheit findet sich versprengte Gebärmutterschleimhaut im Bauchraum, die sich mit jedem Zyklus auf- und abbaut, aber nicht abbluten kann. So entstehen Entzündungen, Verklebungen und Wucherungen, die starke Unterleibsschmerzen während und außerhalb der Periode verursachen.

Zwei Millionen Frauen leiden in Deutschland an der Schmerzerkrankung. Der Weg bis zur Diagnose gleicht einer Odysee. „Als Frau denkt man sich nichts dabei“, sagt Maier. Regelschmerzen gehören eben dazu, so das über Generationen von Mutter zu Tochter weitergegebene Mantra. Dabei kann Endometriose schwerwiegende Auswirkungen haben. Bei Jennifer Maier wurden die Schmerzen so schlimm, dass sie nicht mehr essen, trinken oder aufs Klo gehen konnte. Da erst überwies sie die Ärztin an ein Endometriose-Zentrum. Bei der 35-Jährigen war nicht nur die Gebärmutter befallen, sondern auch der Darm. Die Herde können auch in Blase, Lunge oder Magen vorkommen. Erst die Entfernung der Gebärmutter und eines Teils des Darms brachte Linderung. „Eine Totaloperation ist ein Riesenschritt und die letzte Möglichkeit bei der Behandlung der Endometriose; das auch nur, wenn kein Kinderwunsch mehr besteht“, sagt Frauenärztin Angelika Knobbe aus München. Jennifer Maier hat zwei Kinder geboren, ein Kinderwunsch bestand weiter. „Jetzt geht es mir körperlich besser, aber mental ist es schwierig“, sagt sie. „Es fehlt etwas, ich bin aufgewacht nach der Operation und habe mich leer gefühlt.“ Als Frau verliere man schnell an Selbstwertgefühl und fühle sich schuldig, wenn der Körper kein Kind mehr schenken kann, so Maier.

Grund für ungewollte Kinderlosigkeit

Endometriose ist bei 40 bis 60 Prozent der Frauen ein Grund für unerfüllten Kinderwunsch. Die Entzündungen im Bauchraum können die Eileiter verkleben. Rund zehn bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfühigen Alter leiden an Endometriose. Und dennoch ist die Krankheit erst in den letzten Jahren zum Thema geworden. Sie wurde vernachlässigt, weil es eine Diagnose sei, die bisher ganz oft lange verschleppt wurde, so Frauenärztin Angelika Knobbe aus München. Im Schnitt bis zu zehn Jahre. Viele Patientinnen berichteten über Schmerzen bei der Periode, die dann zwar behandelt werden. Erkennungsmerkmal für Endometriose seien aber Schmerzen auch außerhalb der Periode oder beim Geschlechtsverkehr und der Darmentleerung.

Schwierige Diagnose

Auch bei der 20-jährigen Lotta Stark (Name geändert) aus München war der Leidensweg bis zur Diagnose lang. „Ich bin eigentlich nur fünf Tage im Monat beschwerdefrei“, sagt sie. Die Krämpfe treten oft in Kombination mit Migräne auf. Termine und Pläne rund um die Periode versucht sie zu vermeiden. Ihr Freundeskreis weiß von ihrer Krankheit. Ihre Frauenärztin hat ihre Beschwerden anfangs mit Schmerzmitteln behandelt. Erstmals hat die 20-Jährige auf Instagram über eine Influencerin von der Krankheit erfahren. Eine selbst betroffene Freundin hat ihr dann ein Endometriose-Zentrum empfohlen. Der Arzt stellte zusätzlich eine Adenomyose fest – Wucherungen auch innerhalb der Gebärmutter – die man nicht operieren kann. Nachdem die äußeren Wucherungen entfernt wurden, waren die Schmerzen besser, aber nicht weg. Nur eine Totaloperation könnte die Beschwerden lindern. „Das möchte ich noch nicht. Ich möchte die Option haben, Kinder zu bekommen.“, sagt Stark. Seit der Diagnose sei sie zwar erleichtert, dass sie die Ursache der Schmerzen kenne und es einen Namen für die Krankheit gibt, aber unterbewusst mache es sie traurig, nicht zu wissen, ob sie Kinder bekommen kann. „Jedes Mal, wenn ich ein Baby sehe, gibt es mir einen leichten Stich“, sagt sie. Sie wünscht sich, dass mehr in Forschung investiert wird, die Krankheit mehr mediales Interesse findet. „Wenn mehr Aufklärung in der Öffentlichkeit stattfindet, gibt mir das Hoffnung“.

Mehr Öffentlichkeit notwendig

Inzwischen sei man sich bewusst geworden, dass Endometriose eine Krankheit ist, die häufig vorkomme, sagt Knobbe. Das Thema habe in Fortbildungen und auf Kongressen extrem an Bedeutung gewonnen. Zudem fragen Patientinnen selbst vermehrt nach. Auch die Forschung fokussiert sich stärker darauf. „Wer jetzt nicht an Endometriose als mögliche Krankheit denkt, ist einfach ein schlechter Arzt“, sagt die Frauenärztin. Dennoch gibt es bisher nur ein zugelassenes Medikament (Dienogest) in Deutschland, das das nötige Gelbkörperhormon enthält. Dieses bremst das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut. Alternative Behandlungsmethoden sind die Verschreibung der Kombi-Pille (Maxim) oder die Hormonspirale, die beide das Gelbkörperhormon abgeben.

In den letzten Jahren sei man dazu übergegangen, medikamentös zu behandeln und zu beobachten, ob es hilft, sagt Knobbe. Wenn das alles keine Linderung bringt, werden die Herde per Operation entfernt. Eine Operation birgt aber das Risiko von Verwachsungen. Und die Wucherungen können wiederkommen, so Knobbe. Doch auch die medikamentöse Behandlung kann Nebenwirkungen haben. Depression kann bei Gabe des Gelbkörperhormons vorkommen, muss aber nicht, wie Knobbe betont. Man müsse immer abwägen. Bei der kombinierten Pille gibt es das Thromboserisiko. Ein großes Problem bleibt, dass es keine spezifische Untersuchung außer einer Bauchspiegelung gibt. „Ich würde mir wünschen, dass Jugendliche früher aufgeklärt werden. Dass Schmerzen nicht als normal hingenommen werden, dass Mütter ihre Töchter aufklären, so wie ich es mit meiner Tochter mache, dass Frauenärzte besser geschult werden, dass Infomaterialien in Frauenarztpraxen ausliegen, um die jüngere Generation rechtzeitig zu erreichen und aufzuklären“, sagt Jennifer Maier.

Autorin: Katrin Otto

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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