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Aufruf zur Europawahl: Weil jede Stimme zählt

28.03.2024

Wenn im Juni zum zehnten Mal die Europawahl stattfindet, entscheiden rund 350 Millionen wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger aller 27 EU-Staaten, wer ihre Interessen im Europäischen Parlament vertritt. In Deutschland wird am 9. Juni gewählt. Warum gerade dieses Jahr jede Stimme für Europa zählt, welche Themen wichtig sind und wie sich KDFB-Frauen in der Europapolitik engagieren.     

Als nach der letzten Europawahl 96 deutsche Abgeordnete in das neu gewählte Europäische Parlament einzogen, befanden sich auch die KDFB-Frauen Monika Hohlmeier, Marlene Mortler und Angelika Niebler darunter. Sie schafften vor fünf Jahren den Sprung in das Europäische Parlament und setzen sich seitdem für wichtige Themen und Interessen ein, die unseren Alltag in hohem Maße mitbestimmen.

Denn viele politische Entscheidungen, die für EU-Bürger*innen verbindlich sind, werden in den europäischen Gremien in Brüssel oder Straßburg, dem offiziellen Sitz des Europäischen Parlaments, gefällt: Rund zwei Drittel der in Deutschland gültigen Rechtsnormen gehen auf EU-Beschlüsse zurück: „Wir haben uns in der EU verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden und viele Gesetze hierzu verabschiedet, zum Beispiel die CO2-Emissionen stärker bepreist durch den sogenannten Emissionshandel“, sagt die EU-Abgeordnete Angelika Niebler. „Ein weiterer EU-Beschluss waren die einheitlichen Stecker, die es künftig für alle Mobilfunkgeräte geben wird. Auch mit Themen wie KI haben wir uns beschäftigt und einen umfangreichen Rechtsrahmen für mehr Fairness im Internet geschaffen. An den Beispielen sieht man, dass Europa tatsächlich jeden angeht und wir Abgeordnete für die Menschen auch wirklich etwas bewegen“, fasst die 61-Jährige zusammen.

So werden nicht nur die geografischen Grenzen Europas im Europäischen Parlament bestimmt, sondern auch die Abgasgrenzwerte für Kraftfahrzeuge oder der Preisrahmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse vorgegeben. Es wird außerdem darüber entschieden, ob gentechnisch veränderte oder bestrahlte Lebensmittel hergestellt und verkauft werden dürfen und ob diese entsprechend gekennzeichnet werden.

Im September 2023 hatte das Europäische Parlament die EU-Staaten in einem entsprechenden Entschluss aufgefordert, zum besseren Schutz von Frauen und Mädchen einheitliche und europaweite Regeln für Prostitution zu schaffen. Dem sogenannten Nordischen Modell entsprechend, soll ein Sexkauf-Verbot eingeführt werden. Zudem sollen Prostituierte besser geschützt werden und Zugang zu Ausstiegsprogrammen bekommen.

„Ein weiteres zentrales Thema in den kommenden Jahren werden Sicherheit und Verteidigung sein. Wir müssen auch alles unternehmen, um unsere Werteordnung in der EU zu verteidigen“, unterstreicht Angelika Niebler. „Die Europawahl am 9. Juni ist mit Abstand die wichtigste Wahl in diesem Jahr. Es zählt wirklich ohne Übertreibung jede einzelne Stimme, denn je höher die Wahlbeteiligung, desto lebendiger erweist sich die Demokratie.“

Die Entscheidungen fallen auf dem Platz

Ähnlich wie bei der deutschen Bundestags- und Landtagswahl werden die Bürger*innen per Wahlbenachrichtigung dazu aufgerufen, sich an der Europawahl zu beteiligen. Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsbürgerinnen und -bürger, die mindestens 16 Jahre oder älter sind. Per Briefwahl oder im lokalen Wahlraum dürfen sie ihren Haken setzen: Zur Wahl stehen keine Einzelpersonen, sondern Listen der politischen Vereinigungen und Parteien.

Gewählt wird nach den Prinzipien der Verhältniswahl. Das heißt: Die Sitze im EU-Parlament werden im Verhältnis der abgegebenen Stimmen verteilt. Deutschland, dem bevölkerungsreichsten Land der EU, stehen 96 der insgesamt 720 Sitze zu. Derzeit setzt sich das Europäische Parlament aus sieben Fraktionen sowie 51 fraktionslosen Abgeordneten zusammen, von sozialdemokratisch, liberal und grün über konservativ bis hin zu links – auch Europa-Skeptiker und Rechtspopulisten sind dabei. Seit 1979 ist die konservativ und christdemokratisch orientierte Europäische Volkspartei (EVP) die stimmenstärkste Fraktion. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten (S&D) bestimmt sie den Kurs in Straßburg und Brüssel.

Tatsächlich ist das Europäische Parlament die einzig direkt gewählte Institution der Europäischen Union, und gibt EU-Bürgerinnen und -Bürgern die machtvolle Möglichkeit, ihre Interessen und Themen gezielt voranzubringen. Zu wählen und sich politisch zu engagieren, sei heute sehr wichtig, vor allem für Frauen: „Weil sie eine andere Sicht der Dinge haben“, findet die EU-Abgeordnete Marlene Mortler. „Außerdem ist die Zuschauertribüne zwar schön, aber das Fußballfeld ist besser: Die Entscheidungen fallen auf dem Platz“, sagt die 68-Jährige. Früher war sie die einzige Frau in etlichen Gremien. Seitdem habe sich viel gebessert, vor allem im Europäischen Parlament: „Hier liegt der Frauenanteil bei 40,4 Prozent. Aber manchmal hat man das Gefühl, wieder am Punkt Null zu sein“, so Marlene Mortler. „Deshalb: Nie aufgeben, immer weitermachen! Frauen motivieren und aktivieren ist meine Devise. Es ist wichtig, an sich selbst zu glauben und seinen Weg zu gehen.“

Auch die EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier glaubt, dass sich beim Thema Gleichberechtigung in den letzten Jahren viel getan hat, aber noch einige große Schritte zu gehen sind: „Mit Ursula von der Leyen und Roberta Metsola sind zwei Frauen der Europäischen Volkspartei an der Spitze der EU-Institutionen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen stehen sie für Durchsetzungsfähigkeit und Kompromissbereitschaft“, sagt die 61-Jährige. „Was ich fördere, sind Frauen-Netzwerke, damit wir uns Gehör in der Politik schaffen, egal ob in Europa oder auf lokaler Ebene. Mit der EU-Abgeordneten Angelika Niebler habe ich eine informelle deutsch-österreichische Frauengruppe im EU-Parlament ins Leben gerufen. Wir treffen uns regelmäßig, um aktuelle Themen zu besprechen und so manches Mal auch um den Austausch mit Kolleginnen aus anderen Ländern zu intensivieren. Der Austausch ist nicht nur auf der fachlichen Ebene wichtig, er stärkt auch die freundschaftlichen und menschlichen Beziehungen.“

Demokratie an die Macht

In Italien und Ungarn sind populistische Parteien an der Regierungsmacht. Nach einer aktuellen Umfrage wäre bei einer Wahl in Österreich derzeit die FPÖ die stärkste Partei. Und in Deutschland springt die AfD seit Monaten von einem Umfragehoch zum nächsten. Rechtspopulistische Parteien sind in immer mehr EU-Ländern auf dem Vormarsch, gewinnen an Zuspruch, Stimmen und Macht. Aktuelle Studien,
die auf Meinungsumfragen aus allen EU-Staaten basieren, prognostizieren große Zugewinne für europakritische Nationalisten bei der bevorstehenden Europawahl und warnen vor einem gewaltigen Rechtsruck.

So könnten in einigen Ländern Parteienbündnisse am rechten Rand am stärksten abschneiden und die EU-Fraktion, der die AfD-Abgeordneten und Mitglieder der französischen Le-Pen-Partei sowie der österreichischen FPÖ angehören, würde dann die drittstärkste Macht im Europäischen Parlament sein.

Mit diesem absehbaren Zugewinn für antieuropäische, populistische Parteien dürfte sich die Politik der EU deutlich verändern: Verhandlungsprozesse könnten blockiert und zentrale Zusagen wie der Green Deal zum Klimaschutz oder die Unterstützung für die Ukraine gefährdet werden. „Leider besteht die reale Gefahr, dass Extremisten bei den nächsten Europawahlen zulegen und die Arbeit in Europa erschweren“, sagt Monika Hohlmeier. „Was mich aber positiv stimmt, ist, dass Umfragen zeigen, dass zum Beispiel eine große Mehrheit die Mitgliedschaft Deutschlands in der EU für eine gute Sache hält und dass junge Menschen mehr Vertrauen in die Europäische Union haben als in die eigene Bundesregierung.“ Wichtig sei, dass das Wissen, was Europa macht, welche Entscheidungen in Brüssel getroffen werden und wie jeder einzelne von Europa profitiert, wesentlich besser kommuniziert werde. „Ich habe leider oft den Eindruck, dass Europathemen etwas für die hinteren Seiten in der Tageszeitung sind oder reißerisch vereinfachend aus dem Zusammenhang gerissen werden. Das halte ich für falsch“, so die EU-Abgeordnete weiter. „Ganz entscheidend ist auch, dass jeder seine Stimme nutzt und wählen geht. Am 9. Juni, dem Tag der Europawahl, haben alle Menschen in Deutschland die Möglichkeit, dies zu tun.“

Angelika Niebler unterstreicht: „Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit sind keine Selbstverständlichkeit. Populisten und Nationalisten dürfen wir Europa nicht überlassen. Europa ist nicht perfekt, aber aller Mühen wert.“

KDFB-Engagement zur Europawahl

Die Europawahl nimmt dieses Jahr einen Schwerpunkt in der Verbandsarbeit ein. Die Demokratie braucht Menschen, die sich für sie starkmachen. Die mit ihrer Stimme ein Zeichen für Gleichstellung, Frieden, Solidarität und Menschenwürde setzen und sich klar gegen rechtspopulistische, antidemokratische und antifeministische Bewegungen abgrenzen. Demokratie und Gleichberechtigung bedingen sich gegenseitig und müssen gemeinsam verteidigt werden, gerade jetzt!

Wahlaufruf des KDFB

„Vor über 100 Jahren haben unsere Schwestern das Wahlrecht für Frauen erkämpft, lass es nicht umsonst gewesen sein, sondern schätze es! Nutze dein Stimmrecht und geh wählen – für ein starkes und geschlechtergerechtes Europa und eine mutige europäische Gleichstellungspolitik!“

Passend zum Wahlaufruf des KDFB-Bundesverbands zur Europawahl stehen ein Flyer und ein Plakat zur Verfügung, um Diözesanverbände und Zweigvereine dabei zu unterstützen, in ihren Netzwerken zur Teilnahme an der Wahl zu mobilisieren. Zudem lädt der KDFB gemeinsam mit dem BDKJ am 25. April von 19 bis 21 Uhr zur Online-Veranstaltung „Europas Töchter – ein feministischer Blick auf die Europawahl 2024“ ein.

Hier geht’s direkt zur Anmeldung.

 

Autorin: Andrea Bala

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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