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Weltgebetstag: Frauenpower für den Frieden

01.02.2024

Unter dem Motto „… durch das Band des Friedens“ haben palästinensische Christinnen die Gottesdienstordnung für den diesjährigen Weltgebetstag am 1. März vorbereitet. Das deutsche Weltgebetstags-Komitee unterstützt Frauenprojekte im Heiligen Land, die sich für den inneren und äußeren Frieden einsetzen.        

Einen „Naturschutzraum für die Seele“ will die Trauma-Therapeutin Ursula Mukarker in Bethlehem im Westjordanland Frauen und Mädchen bieten. Viele von ihnen leiden unter den patriarchalen Strukturen der arabischen Gesellschaft, aber auch unter der israelischen Besatzung. „Trauma-Arbeit ist ein aktiver Beitrag gegen Gewalt und damit auch aktive Friedensarbeit“, erklärt Ursula Mukarker, die ihren deutschen Vornamen von ihrer in Deutschland aufgewachsenen Mutter erhielt. Die 45-jährige Psychologin lebte sechs Jahre lang in Berlin und Bonn, studierte und genoss die Freiheit als Frau, die in ihrer Heimat nicht selbstverständlich ist.

Danach kehrte die griechisch-orthodoxe Christin zurück ins Westjordanland und gründete 2011 in Bethlehem das Trauma-Zentrum „Wings of Hope for Trauma“ (auf Deutsch: „Flügel der Hoffnung bei Trauma“), um dortigen Frauen und Mädchen helfen zu können. Denn die seit Jahrzehnten andauernde israelische Besatzung und die häufigen Gewalterfahrungen haben viele Menschen in der Region traumatisiert. 1948 wurde der Staat Israel in einem Gebiet gegründet, das zuvor das britische Mandatsgebiet Palästina war. Heute erkennen 138 von 193 Ländern der Vereinten Nationen (UN) Palästina als Staat an, dazu zählen aber beispielsweise nicht die USA oder Deutschland. Das deutsche Auswärtige Amt spricht von „palästinensischen Gebieten“, wenn es um das Westjordanland, Ost-Jerusalem oder den Gazastreifen geht.

Der Alltag vieler Palästinenser*innen ist geprägt von Armut, Ohnmacht und Perspektivlosigkeit, weiß die Trauma-Therapeutin: „Dies belastet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Familien. Häusliche Gewalt, aber auch die Radikalisierung Einzelner nimmt zu, wie auch Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen.“ Immer mehr Frauen, Kinder und Jugendliche benötigen deshalb Hilfe und wenden sich an „Wings of Hope“. Deswegen unterstützt das deutsche Weltgebetstags-Komitee das Projekt, damit mehr Psychotraumatolog*innen ausgebildet werden können. Kurzfristig sollen 25 Fachkräfte aus dem Gesundheits- und Sozialwesen weitergebildet werden.

Als die Projektreferentin des deutschen Weltgebetstags-Komitees Carola Mühleisen im März 2022 „Wings of Hope“ in Bethlehem besuchte, war sie bewegt, denn sie erlebte, mit welcher Zugewandtheit sich die Mitarbeiterinnen ihren Klientinnen widmen: „Sie sind ganz nah dran an ihren verschiedenen Lebenslagen und suchen im Rahmen der Möglichkeiten mit den Frauen und Kindern nach guten Lösungen.“ Angeboten werden unter anderem Einzel- und Gruppentherapien, aber auch Erziehungsberatung und die Seele stärkende Angebote, etwa ein Sommercamp mit Yoga, Tanz, Kunst und anderen Formen des kreativen Ausdrucks.

Bei „Wings of Hope“ finden die Frauen einen geschützten Freiraum für sich. „Denn in der arabischen Kultur haben viele von ihnen nicht die Möglichkeit, über ihre Gefühle zu sprechen. Frauen- und Familienthemen sind oftmals tabu. Dem Ruf der Familie darf nicht geschadet werden“, erklärt Mukarker. So sei das Leben der Palästinenserinnen meist von enormem Stress und Pflichtbewusstsein gegenüber der Familie, dem Ehemann und dem Haushalt geprägt. „Zudem ist die politische und wirtschaftliche Lage sehr schlecht. Das ist auch für die Männer eine große Belastung, die deshalb wütend, nervös und manchmal auch aggressiv sind“, sagt Mukarker. „Unsere Frauen unterstützen und helfen sich gegenseitig in den Gesprächsgruppen nach dem Motto: Mein Schmerz ist genau wie der Schmerz der anderen Frau, aber mit einer anderen Farbe.“

Neben „Wings of Hope“ fördert der Weltgebetstag (WGT) auch noch ein anderes Frauenprojekt im Heiligen Land:  Die Organisation „Machsom Watch“ (auf Deutsch: „Kontrollposten-Beobachtung“) zeigt Frauensolidarität auf israelischer Seite. Meist ältere israelische Frauen nach der Berufs- und Familienphase beobachten mit Notizblock und Kamera die Checkpoints der eigenen Armee zum Westjordanland sowie die sogenannten „C-Gebiete“, die unter ziviler und militärischer Kontrolle Israels stehen. Dort ergreifen sie bei Menschenrechtsverletzungen Partei, dokumentieren Vorfälle und machen diese öffentlich, zum Beispiel in den sozialen Medien.

Carola Mühleisen vom deutschen WGT-Komitee besuchte auch dieses Projekt und war mit zwei Aktivistinnen einen Tag unterwegs. „Ich war beeindruckt vom Mut und dem sehr hohen persönlichen Einsatz dieser Frauen. Sie sind mit Gewalt, Vertreibung und Zerstörung konfrontiert, die von ihren Landsleuten ausgeht, über die es ansonsten deutlich weniger Informationen aus erster Hand gäbe.“ Die WGT-Projektreferentin erfuhr von den israelischen Frauen, die sie begleiten durfte, dass sie massiven Anfeindungen von vielen Seiten ausgesetzt sind, häufig auch im engeren Freundes- und Familienkreis: „Dies auszuhalten und sich konsequent an die Seite der Schwachen in einer sehr ungleichen Konfliktlage zu stellen, nötigt mir großen Respekt ab.“

Zeitlich früher setzt das Engagement der palästinensischen Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser an, die in einer Videoaufzeichnung beim Online-Weltgebetstagsseminar des KDFB über ihre Heimat sprach. Seit Jahrzehnten arbeitet sie als Brückenbauerin zwischen Palästinenser*innen und Israelis, als Friedenspädagogin, als Trainerin für gewaltfreie Kommunikation. Immer wieder ermutigt sie Frauen – Christinnen, Jüdinnen und Musliminnen – zum Dialog miteinander.

Die heute 75-Jährige wuchs in der Nähe von Jerusalem auf und studierte nach dem Abitur in Hamburg Biologie, Geografie und Erziehungswissenschaft. Anschließend promovierte sie in angewandter Botanik.15 Jahre lang war die Professorin an der palästinensischen Universität in Bir Zait als Dozentin tätig. Heute lebt sie mit ihrer Familie in einem Dorf im Westjordanland und ist Mitglied und Mitbegründerin zahlreicher Organisationen. Die evangelische Christin wurde bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet, weil sie sich für Menschenrechte, Frieden, Versöhnung, Verständigung und Zivilcourage einsetzt.

Von 1997 bis 2001 leitete Farhat-Naser das palästinensische „Jerusalem Center for Women“, das sich gemeinsam mit der israelischen Gruppierung „Bat Shalom“ für den Frieden engagierte. „Unsere Arbeit war eine tolle Basis, um unserer politischen Führung zu zeigen, dass wir alle unter derselben Situation leiden und einfach nur dasselbe wollen – in Frieden und Sicherheit leben“, erklärt Farhat-Naser. „Diese Arbeit ist leider seit mehr als 15 Jahren nicht weitergegangen, weil eine Mauer zwischen dem Westjordanland und Israel gebaut worden ist und unser Zusammenkommen verboten wurde.“

Danach beschloss die Professorin, nicht an die Universität zurückzugehen, sondern in Schulen Friedenserziehung anzubieten zum Thema Gewaltfreiheit im Denken, Fühlen, Handeln und Sprechen. Inzwischen hat Farhat-Naser Friedenspädagoginnen und -pädagogen ausgebildet, die ihre Friedenserziehung in verschiedenen Dörfern und Städten weitertragen. „Das ist eine fantastische Arbeit, die uns Hoffnung bringt und die Freude am Leben erhält“, berichtet Farhat-Naser. „Wir vermitteln in unseren Schulungen den Jugendlichen: Frieden in sich selbst und mit sich selbst zu finden, ist die Basis, um Frieden mit anderen zu erreichen.“

 

 

Frauensolidarität weltweit

Ein Gebet wandert 24 Stunden lang um den Erdball und verbindet Frauen in mehr als 150 Ländern der Welt miteinander – das ist die Idee des Weltgebetstages (WGT), der größten Basisbewegung christlicher Frauen weltweit. Die Christinnen des palästinensischen Weltgebetstags-Komitees wurden schon 2017 auf einer Konferenz in Brasilien ausgewählt, die Gottesdienstordnung zum Thema „… durch das Band des Friedens“ für den 1. März 2024 vorzubereiten. Spirituelle Verbundenheit, Engagement für soziale Gerechtigkeit und weltweite Frauensolidarität gehören beim Weltgebetstag unter dem Motto „Informiert beten – betend handeln“ zusammen. Das zeigt sich konkret in der weltweiten Unterstützung von Frauen- und Mädchenprojekten: „Die Kollekte und die Spenden unterstützen nicht nur Projekte in den palästinensischen Gebieten, sondern gehen an über 100 Mädchen- und Frauenprojekte weltweit. Diese Frauen und Mädchen sind sehr und gerade jetzt auf unsere Solidarität angewiesen“, so KDFB-Referentin für Theologie und Spiritualität Regina Ries-Preiß, die zugleich Mitglied des deutschen Weltgebetstags-Komitees ist. Für die Weltgebetstags-Bewegung steht das „Empowerment“ (auf Deutsch: „Selbstermächtigung“) von Frauen im Mittelpunkt. Weitere Informationen gibt es unter www.weltgebetstag.de

 

Tipps für die Weltgebetstagsarbeit

Kollekte: Seit 1975 wurden mit den Kollekten und Spenden über 6 000 Frauen- und Mädchenprojekte in rund 150 Ländern weltweit mit über 77 Millionen Euro unterstützt. Aktuelle Zahlen zur Verwendung der Kollekte aus dem Gottesdienst und der Spenden sind unter www.weltgebetstag.de nachzulesen. Einzelspenden an: WGT – Dt. Komitee e.V., Evangelischen Bank EG Kassel, DE42 5206 0410 0004 0045 40

Arbeitsmaterialien: Die Gottesdienstordnung, das Materialheft „Ideen und Informationen“ (Preis: 3,50 Euro plus Porto), die Material-DVD mit Fotos, Texten und Rezepten (11,90 Euro)
sowie weitere Unterlagen sind erhältlich bei der MVG Medienproduktion, Postfach 10 11 38, 52011 Aachen, Tel. 0241/479 86-300 oder unter www.eine-welt-shop.de/weltgebetstag/

Rezepte: „Rote-Bete-Tarte“, „Auberginendip M´tabbal“ oder „Gerösteter Romanesco mit Tahin und Granatapfel“ unter www.weltgebetstag.de (im Downloadbereich unter Rezepte).

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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