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Weltgebetstag 2023: Frauenpower in Taiwan

30.01.2023

Taiwan steht im Mittelpunkt des Weltgebetstags am 3. März, der in über 150 Ländern gefeiert wird. Unter dem Motto „Glaube bewegt“ machen Taiwanerinnen auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam wie Gewalt gegen Frauen, eine hohe Arbeitsbelastung und eine sehr schwere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

 

Daiken hat in ihrem Leben großes Leid erfahren – die Taiwanerin wurde als Kind sexuell missbraucht. Eine Lehrerin kam der damals 14-Jährigen schließlich zu Hilfe, und Sozialarbeiterinnen kümmerten sich um das Mädchen. Auch später, in ihrer Ehe, litt die Mutter von zwei Kindern jahrelang unter Gewalt. Doch Daiken gelang es, sich mithilfe des Frauenprojekts „Garden of Hope“ (Garten der Hoffnung) aus ihrer Notlage zu befreien. Der Weltgebetstag Deutschland unterstützt diese Organisation, die Schutzwohnungen für Betroffene von sexueller Gewalt, Menschenhandel und Zwangsprostitution in Taiwan zur Verfügung stellt. Dort können Frauen Kraft schöpfen, um sich aus gewaltsamen Beziehungen zu befreien und ihr Leben neu zu ordnen. Heute begleitet Daiken als Überlebende häuslicher Gewalt bei „Garden of Hope“ betroffene Frauen und Kinder: „Nachdem ich mich befreit habe, möchte ich auch anderen Frauen helfen, sich aus toxischen Beziehungen zu lösen.“ Die Taiwanerin weiß aus eigener Erfahrung, dass es dazu oft vieler Anläufe bedarf. Wenn die Frauen keine Arbeit finden und mittelos sind, würden sie oftmals zu ihren Peinigern zurückkehren.

Jede fünfte Frau ist von Gewalt betroffen

Die deutsche Journalistin Carina Rother lebt in Taiwan und erkundet die Insel

Laut taiwanischem Gesundheitsministerium wurden im Jahr 2021 rund 185 500 Fälle von häuslicher Gewalt verzeichnet. „Eine Erhebung aus dem Jahr 2019 zeigt, dass fast jede fünfte Frau in Taiwan einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt in der Partnerschaft wird“, berichtet die Sinologin Carina Rother, die seit sechs Jahren in Taiwans Hauptstadt Taipeh lebt. Beim KDFB-Weltgebetstagsseminar referierte die 33-jährige China-Wissenschaftlerin und Journalistin online über ihr neues Heimatland. Letztes Jahr hat sie ein Sachbuch über Glaube und Religion in Taiwan verfasst. „Ich bin nach meinem Master mit einem Sprachstipendium für ein Jahr nach Taiwan gekommen und hängen geblieben, weil es ein interessantes Land ist, in dem es sich gut leben lässt“, erklärt die gebürtige Regensburgerin, die mit einem Nord-Iren verheiratet ist und im März ihr erstes Kind erwartet.

Fernseh-Gottesdienst

Ein Gebet wandert über 24 Stunden lang um den Erdball und verbindet Frauen in mehr als 150 Ländern der Welt miteinander – das ist die Idee des Weltgebetstags, der größten Basisbewegung christlicher Frauen weltweit. Damit alle daran teilhaben können, wird neben zahlreichen Gottesdienstfeiern vor Ort ein Gottesdienst zum Weltgebetstag 2023 im Fernsehen und im Internet übertragen. Dieses Jahr überträgt der Fernsehsender Bibel TV am Freitag, 3. März, um 19 Uhr den Gottesdienst „Glaube bewegt“. Der Gottesdienst kann auch online mitgefeiert werden unter www.weltgebetstag.de.

Bedrohung durch China

Die Insel Taiwan wurde vom 17. bis Ende 19. Jahrhunderts von der damals in Peking herrschenden Qing-Dynastie kontrolliert. Dann war sie 50 Jahre lang japanische Kolonie (1895 bis 1945), danach kam die Insel wieder unter chinesische Verwaltung. Die Volksrepublik China beansprucht Taiwan als ihre Provinz, obwohl das heute demokratisch regierte Taiwan nie unter der Kontrolle des kommunistischen Regimes stand. Der Staat Taiwan existiert in einer juristischen Grauzone, weiß Carina Rother: „Die Insel hat immer noch eine Verfassung, die 1946 in China geschrieben wurde. Taiwan ist inzwischen eine Demokratie, darf sich aber nicht als unabhängige ‚Republik Taiwan‘ bezeichnen. Das wäre nach chinesischem Recht ein Angriffs- und Kriegsgrund.“
Stattdessen lautet der Staatsname weiterhin offiziell „Republik China (Taiwan)“ – ein Überrest der Spaltung Chinas in zwei Staaten durch den chinesischen Bürgerkrieg, der 1949 mit der Gründung der Volksrepublik China auf dem chinesischen Festland endete. Die Vereinten Nationen erkennen nur die Volksrepublik China an, die das taiwanische Territorium um jeden Preis zurückgewinnen will, wie Rother erklärt. „Mit Chinas wachsender Macht steigt deshalb die Gefahr für die demokratische Insel“, sagt sie. Die Taiwaner*innen haben gelernt, mit der Bedrohung durch China zu leben, hat die Journalistin in Straßenumfragen erfahren: „Auch wenn die chinesischen Militärmanöver in den Gewässern vor Taiwan intensiver geworden sind, bleiben die Menschen relativ ruhig wie ich auch. Denn Taiwan ist so viel mehr als ein bedrohtes Land, es hat eine blühende Gesellschaft mit vielen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Und auch das Leben der Frauen in Taiwan ist bunt und vielfältig!“

Taiwan ist bunt

Der traumhafte Sandstrand Kenting Baishawan liegt an der Südspitze der Insel.

Die Insel im Pazifik gilt als asiatische Vorreiterin der Gleichberechtigung. „Die Frauenbewegung in Taiwan hat in den letzten Jahrzehnten viel erreicht“, so Rother, die auch Geschlechterforschung studiert hat. Heute sind Frauen in Taiwan in allen Bereichen des Lebens vertreten. Das Parlament mit Staatspräsidentin Tsai Ing-wen an der Spitze hat rund 42 Prozent weibliche Abgeordnete, und sogar eine Trans-Frau, die 41-jährige Digitalministerin Audrey Tang, ist im Kabinett vertreten. Und Taiwan ist bunt: Seit 2019 ist es homosexuellen Paaren erlaubt zu heiraten. Doch der Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter war weit. Frauen spielten in Taiwans Gesellschaft lange keine bedeutende Rolle, weiß Rother: „In der chinesischen Kultur waren Töchter weniger wert als Söhne, was mit der landwirtschaftlichen Kultur zu tun hat, die auf die Arbeitskraft der Männer gesetzt hat. Aber auch der Glaube spielt eine große Rolle.“ Taiwan ist eine vom Konfuzianismus geprägte Gesellschaft. Nach der Lehre des Konfuzius (551 bis 479 v. Chr.) wird Männern eine viel wichtigere Rolle zugeschrieben als Frauen, da nur sie der Tradition nach die Familienlinie weiterführen. „Aber heutzutage freuen sich moderne taiwanische Eltern genauso über eine Tochter wie über einen Sohn“, berichtet Rother.

Sorgearbeit lastet auf den Frauen

In Taiwan, einer hochentwickelten Industrienation, haben Frauen dieselben Bildungschancen wie Männer.
Rund 90 Prozent der Frauen sind erwerbstätig und vollkommen in den Arbeitsmarkt eingegliedert, „der ihnen jedoch sehr viel abverlangt“, so Rother. Aufgrund nur weniger Urlaubstage und routinemäßiger Überstunden ist die Kinderbetreuung ein großes Problem, sofern nicht eine Großmutter mithilft. „Die Frauen kämpfen letztlich mit denselben Problemen, die wir im Westen auch kennen, etwa mit der Mehrfachbelastung durch Job, Kinderversorgung und Betreuung der Eltern und Schwiegereltern“, sagt Rother. Neben der hohen Arbeitsbelastung ist die wirtschaftliche Situation auch ein Grund dafür, warum sich immer weniger junge Paare für eine Familie entscheiden. Wohnraum, Kinderbetreuung und gute Bildung sind für Taiwans Stadtbevölkerung sehr teuer.

Hilfe für ausgebeutete Arbeitsmigrantinnen

Trotz Chancengleichheit im öffentlichen Leben lastet die familiäre Sorgearbeit in Taiwan komplett auf den Schultern der Frauen. Wohlhabende Familien engagieren für die Pflegearbeit oftmals ausländische Arbeitskräfte. Diese Frauen stammen aus Indonesien, Vietnam oder von den Philippinen und werden über teure Arbeitsagenturen mit Knebelverträgen nach Taiwan vermittelt. „Die Migrantinnen arbeiten für wenig Geld und ohne Rechte in privaten Haushalten. Da die Frauen bei ihren Arbeitgebern zu Hause leben, sind sie diesen oft schutzlos ausgeliefert. Das Thema häusliche Gewalt betrifft in Taiwan nicht nur Familien, sondern auch Arbeitsmigrantinnen“, weiß Carina Rother. Ein Hoffnungsanker für diese ausgebeuteten Frauen ist die Organisation „Hope Workers Center (HWC)“, die vom Weltgebetstag unterstützt wird. Das Zentrum setzt sich für Arbeitsrechtsreformen in der häuslichen Sorge- und Pflegearbeit ein. Außerdem bekommen betroffene Frauen Hilfe, um einen Ausweg aus ihrer Notlage zu finden. Das HWC bietet ihnen psychosoziale Begleitung, Rechtsberatung, Unterstützung bei der Arbeitssuche oder Hilfe bei der Rückkehr ins Heimatland an. „Häusliche Pflege ist in Taiwan aufgrund der Ausbeutung der Arbeitsmigrantinnen ein hochpolitisches Thema“, erklärt Rother. Wegen Überalterung nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen ständig zu, gleichzeitig sind die Taiwanerinnen zu stark in die Arbeit eingebunden. Innerhalb der Familien versuchen Frauen sich deshalb gegenseitig zu unterstützen: „Wenn sie es sich leisten können, gehen ältere Frauen früher in Rente, um bei der Kinderbetreuung oder Pflege mitzuhelfen. Insgesamt kann man sagen: Taiwanerinnen sind starke Frauen, aber sie tragen eine enorme Last“, so Carina Rother.

Taiwan im Überblick

  • Geographie

    Taiwan ist ein Inselstaat zwischen Japan und den Philippinen vor dem chinesischen Festland, bestehend aus einer Hauptinsel und über 100 weiteren Inseln. Die Natur ist vielfältig: Berge und Dschungel in der Landesmitte, Sandstrände an den Küsten. Die meisten Städte liegen an der Nord- oder Westküste.

    Hauptstadt: Taipeh (rund 2,7 Millionen Einwohner*innen)

    Klima: Taiwan liegt im Schnittpunkt zwischen den Tropen und Subtropen. Die Temperatur kann im Sommer (Mai bis Oktober) bis zu 41 Grad erreichen. Taifune bringen reichlich Niederschlag. Im Winter (Dezember bis Februar) besteht die Gefahr von Dürren, und die Temperaturen können unter zehn Grad sinken.

  • Gesellschaft

    Bevölkerung: 23,6 Millionen Menschen, indigene Gruppen machen mit etwa 570 000 Menschen rund zwei Prozent der Bevölkerung aus. Taiwans Bevölkerung schrumpft jedes Jahr um mehrere 100 000 Menschen. Die Überalterung der Gesellschaft ist ein großes Problem.

    Sprache: Amtssprache ist Mandarin, dessen Verwendung von der chinesischen Regierung 1946 erzwungen wurde. Daneben gibt es verschiedene Dialekte.

    Religion: Chinesischer Volksglaube (rund 44 Prozent), Buddhismus (rund 20 Prozent), Taoismus (rund 17 Prozent), Protestantismus (5 Prozent), Katholizismus (1,5 Prozent), Islam (0,2 Prozent) und weitere Religionen wie Judentum und griechisch-orthodoxe Kirche in geringen Zahlen. Indigene sind mehrheitlich christlich.

    Frauen: Mehrfachbelastungen der Frauen in Job, Haushalt und in der Sorgearbeit führen dazu, dass Taiwan seit 20 Jahren eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt aufweist. 2021 lag sie bei 0,9 Kindern pro Frau. Zum Vergleich: In Deutschland lag sie 2021 bei 1,58 Kindern pro Frau.

  • Politik

    Staatsform: Demokratie mit offiziellem Staatsnamen „Republik China (Taiwan)“. Taiwan wird von der Volksrepublik China als chinesische Provinz beansprucht.

    Staatsoberhaupt: Staatspräsidentin Dr. Tsai Ing-wen (66 Jahre)

     

  • Wirtschaft

    Wirtschaft: Taiwan ist eine hochentwickelte Industrienation. Ein Großteil der TaiwanerInnen ist im Dienstleistungssektor tätig. Wichtigste Exportprodukte sind Elektrogeräte.

    Währung: Neuer Taiwan-Dollar (TWD); ein Euro entspricht derzeit 32,79 TWD.

     

Tipps für die Weltgebetstagsarbeit

  • Kollekte: Seit 1975 wurden mit den Kollekten und Spenden über 6.000 Frauen- und Mädchenprojekte in rund 150 Ländern weltweit mit 77 Millionen Euro unterstützt. Aktuelle Zahlen zur Verwendung der Kollekte aus dem Gottesdienst und der Spenden sind unter www.weltgebetstag.de nachzulesen.
  • Arbeitsmaterialien: Das Materialheft „Ideen und Informationen zu Taiwan“ (Preis: 3,50 Euro plus Porto), die Material-DVD mit vielen Fotos, Texten und Rezepten (11,90 Euro) sowie weitere Unterlagen sind erhältlich bei der MVG Medienproduktion, Postfach 10 11 38, 52011 Aachen, Tel. 0241/479 86-300 oder unter www.eine-welt-shop.de/weltgebetstag/. Weitere Infos unter: www.frauenbund-bayern.de/weltgebetstag.
  • Rezepte: Einblicke in die Essenskultur Taiwans mit Rezepten wie„Radieschen-Omelette mit gehacktem Sellerie “ oder „Taiwanischer Ananaskuchen“gibt es unter www.weltgebetstag.de (im Downloadbereich unter Rezepte).
  • Buchtipp: Carina Rother: Taiwan. Insel der Vielfalt. Missionshilfe Verlag, 2022, 10,80 Euro.

Autorin: Karin Schott

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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