Menü

Ellen Ammann – Entschlossen gegen Hitler

28.09.2023

100 Jahre ist es her, dass KDFB-Pionierin Ellen Ammann in die Geschichte eingriff und half, den Hitlerputsch am 8.und 9. November zu vereiteln. Eine Würdigung ihrer politischen Weitsicht.

Am 8. November 1923 zeigen sich erste Vorboten des herannahenden Winters. Schneeflocken rieseln auf München herab. Ungemütlich. Vermutlich erwacht Ellen Ammann, Landesvorsitzende des Frauenbundes in Bayern, schon mit sorgenvollen Gedanken. Aber sie kann nicht ahnen, dass sie in den kommenden 36 Stunden keinen Schlaf mehr finden wird. Noch weiß sie nichts von der enormen Bewährungsprobe, die der Regierung ihrer Wahlheimat Bayern genau jetzt bevorsteht.
Schon damals ist die junge Weimarer Republik bedroht – zehn Jahre vor ihrer tatsächlichen Zerstörung durch das NS-Regime. Der Feind heißt Adolf Hitler, und er nutzt die instabile Lage im Land, um einen Putschversuch zu starten.

 Zu dieser Zeit ist Ammann bereits seit vier Jahren Landtagsabgeordnete und verfolgt die politischen Geschehnisse genau, kennt die Not der Bevölkerung angesichts der galoppierenden Inflation. Ihre erste Legislaturperiode als Vertreterin der Bayerischen Volkspartei ist geprägt von Turbulenzen und Gewalt. Die Anhänger Hitlers machen Randale und verfolgen das Ziel, eine nationale Diktatur zu errichten. NSDAP-Vorsitzender Hitler wird zum politischen Führer des „Deutschen Kampfbundes“ gewählt, dem die Sturmabteilung (SA) und bewaffnete bayerische Einwohnerwehren angehören.
Ellen Ammann sieht in ihm einen ungemein gefährlichen Agitator. Gerüchte, dass er einen Umsturz plant, sind seit Monaten in Umlauf. Nun spitzen sich die Ereignisse zu. Für den Abend des 8. November 1923 ist eine große Kundgebung im Münchner Bürgerbräukeller vorgesehen, die viele politische Entscheidungsträger besuchen. Während des Abends erklärt Hitler, eine Pistole in der Hand, die bayerische Regierung für abgesetzt, eine provisorische Reichsregierung werde gebildet. Daraufhin nimmt ein bewaffnetes Kommando bayerische Regierungsvertreter im Saal fest, darunter Ministerpräsident Eugen Ritter von Knilling, einige Minister und weitere Entscheidungsträger.

Die Putschisten setzen nicht nur den bayerischen Ministerpräsidenten und weitere Regierungsmitglieder fest, sie erklären auch die Berliner Regierung für abgesetzt und verhaften Münchner Stadträte.

Ellen Ammann erfährt an jenem schicksalhaften Tag durch eine Freundin von den Umtrieben im Bürgerbräukeller. Sie erkennt den Ernst der Lage und handelt beherzt. Sie schickt ihren jüngsten Sohn mit dem Fahrrad zu ihrem Parteikollegen, dem Kultusminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Franz Matt. Nach der Festsetzung von Regierungsmitgliedern ist Matt nun der ranghöchste Vertreter des legalen Staatsapparates. Er und weitere Abgeordnete und Regierungsvertreter versammeln sich auf Ellen Ammanns Initiative hin mitten in München in der von ihr gegründeten sozial-caritativen Frauenschule. „Ein Glück, dass man sie als Frau so unterschätzt hat“, meint die Ellen-Ammann-Beauftragte des Frauenbundes Elfriede Schießleder. „So konnte sie tatkräftig handeln.“ Ellen Ammann stellt den Politikern ihr Telefon zur Verfügung. Man einigt sich in der Runde, den Putsch öffentlich zu verurteilen. Matt formuliert einen entsprechenden Aufruf, der am nächsten Morgen in München angeschlagen wird. Ein entscheidender Schritt, urteilen Zeitzeugen später. Aus Sicherheitsgründen entschließt man sich zudem, die Regierungsmitglieder, die sich nicht in der Hand der Aufständischen befinden, sollen nach Regensburg ausweichen, um dort weiteren Widerstand zu organisieren. Dafür wird ein Auto beschafft. Ellen Ammann fährt nicht mit. Nach außen bleibt sie im Hintergrund, sorgt dafür, dass die Herren für ihre Reise mit Proviant versorgt sind.

„Sie war der Demokratie verpflichtet und lehnte den erstarkenden Nationalsozialismus ab.“

Adelheid Schmidt-Thomé

Mit der Evakuierung des Rumpfkabinetts ist das Ende des politischen Dramas keineswegs erreicht. Vermutlich bangt Ellen Ammann die ganze Nacht um einen glimpflichen Ausgang. Die Straßen Münchens sind von Hitleranhängern bevölkert, die begeistert die Revolution feiern. Am 9. November formiert sich ein Zug der Putschisten durch die Innenstadt, um die Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen. An der Feldherrnhalle kommt es zu einer Schießerei mit der Landespolizei. 18 Menschen werden getötet, davon 13 Anhänger Hitlers, die im Nachhinein zu Helden hochstilisiert werden. Am Abend ist der Spuk zunächst vorbei. Hitler wird verhaftet. Das überstürzte Putschunternehmen ist niedergeschlagen.
Ellen Ammanns Einschätzung bestätigt sich. „Sie war der Demokratie verpflichtet und lehnte den erstarkenden Nationalsozialismus entschieden ab“, erklärt ihre Biografin Adelheid Schmidt-Thomé. Franz Matt würdigt ihr unerschrockenes Handeln in der Krise später mit dem Satz: „Die Kollegin Ammann hatte damals mehr Mut bewiesen als manche Herren in Männerhosen.“ Auch Zeitzeugin Lida Gustava Heymann ist voller Respekt: „Dass dieses ganze, geradezu törichte Unterfangen nicht in einem furchtbaren Blutbade endete, sondern nach wenigen Stunden zusammenbrach, ist meines Erachtens auf die Initiative einer Frau, Ellen Ammann, bayerische Landtagsabgeordnete, zurückzuführen, die vorausschauend instinktiv und nach sicheren Anzeichen erkannte, dass sich eine Katastrophe vorbereitete, und daraufhin ihre Maßnahmen traf.“ In die Geschichtsbücher findet Ammanns mutiges Eingreifen allerdings lange Zeit keinen Eingang. Heute wird ihr unerschrockenes Handeln im Münchner NS-Dokumentationszentrum mit einer kleinen Tafel gewürdigt.

Der Nürnberger NSDAP-Ortsgruppenleiter Julius Streicher spricht am 9. November 1923 auf dem Münchner Marienplatz.
Hitler hatte die Propaganda der Partei Stunden zuvor in die Hände des fanatischen Antisemiten gelegt.

Wäre es nach Ellen Ammann gegangen, es hätte in jener Novembernacht gar nicht zum Putsch kommen müssen. Sie favorisiert schon länger die Lösung, den Österreicher Hitler aufgrund seiner Agitation des Landes zu verweisen. Als versierte Netzwerkerin weiß sie, dass andere prominente Frauen unterschiedlicher politischer Richtungen in diesem Punkt ähnlich denken. So kommt es, dass eine Gruppe von acht Frauen bereits im Februar 1923 beim bayerischen Innenminister Franz Xaver Schweyer vorstellig wird. Neben Ellen Ammann sind die prominenten Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann sowie Luise Kiesselbach, Gründerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern, und andere Frauen mit dabei. Eine Stunde lang soll die Damenriege Schweyer ins Gewissen geredet haben. Vergebens. Was genau sie dem Minister vortragen, ist nicht überliefert. Lediglich die Frauenrechtlerinnen Lida Gustava Heymann und Constanze Hallgarten berichten in ihren Erinnerungen davon. Für Schweyer ist das Thema zu diesem Zeitpunkt offenbar vom Tisch. Er hatte im März 1922 selbst versucht, die Parteiführer der bayerischen Landtagsfraktionen von einer Ausweisung Hitlers zu überzeugen, und war gescheitert. Einen weiteren Versuch unternimmt er nicht.
Ellen Ammann jedenfalls bezieht in den Jahren nach 1923 einige Male offen Stellung gegen die Nationalsozialisten. Sie warnt eindringlich vor der Gefahr, die von der NSDAP und deren Gedankengut ausgeht. Den Ausgang der bayerischen Landtagswahl im April 1924, der dem Völkischen Block den Einzug in den Landtag ermöglicht, kommentiert sie in der Frauenbund-Zeitschrift Frauenland kritisch: „Der Ausgang der bayerischen Landtagswahl sollte den Frauen zu denken geben. (…) Die arme Großstadtbevölkerung (…) läuft jedem neuen Propheten nach, von dem sie sich eine Besserung verspricht. Ohne Nachprüfung glaubt sie tönenden Worten (…). Wenn diese ,neue‘ Partei einmal mitzusprechen hat in den Parlamenten, dann wird sich zeigen, dass sie nicht imstande ist, die Lage des Vaterlandes ohne weiteres zu bessern, ja, wir haben allen Grund, zu befürchten, dass besonders für unsere bayerische Heimat ihre Politik verhängnisvoll werden wird. (…) Eine Überspannung, ja eine Vergötterung des nationalen Gedankens aber, wie sie von völkischer Seite getrieben wird, ist in unseren Augen verwerflich.“ Eine Einschätzung, die durch die Geschichte in vollem Umfang bestätigt wird.

„Die arme Großstadtbevölkerung läuft jedem neuen Propheten nach, von dem sie sich eine Besserung verspricht.“

Ellen Ammann

Weitere Informationen

  • Ein Symposium mit dem Titel „Demokratie in der Krise“ will die Hintergründe und Ursachen der
    vielfältigen Krisen des Jahres 1923 in Bayern analysieren. Das Symposium findet am 7. November 2023 von 17 bis 21 Uhr in der Katholischen Akademie Bayern in München statt. Es ist eine Kooperationsveranstaltung der Akademie mit dem Institut für Zeitgeschichte München−Berlin und dem KDFB Bayern. KDFB-Landesvorsitzende Birgit Kainz spricht ein Grußwort. Mehr Informationen unter www.kath-akademie-bayern.de
  • Adelheid Schmidt-Thomé: Ellen Ammann. Frauenbewegte Katholikin, Verlag Friedrich Pustet, 2020, 14,95 Euro.
  • Gunda Holtmann: Ellen Ammann – Eine intellektuelle Biografie, Ergon Verlag, 2017, 45 Euro.

Interview zur Seligsprechung Ellen Ammanns

  • "WUNDER NICHT AUSGESCHLOSSEN" - Pastoralreferent Johannes Modesto

    Johannes Modesto zur angestrebten Seligsprechung Ellen Ammanns

    Ellen Ammanns politisches und karitatives Handeln war gespeist von einer tiefen Frömmigkeit. Der KDFB Bayern und ein ganzes Netzwerk setzen sich für ihre Seligsprechung ein. Johannes Modesto, 62, Pastoralreferent und promovierter Theologe, begleitet das angestrebte Verfahren in der Erzdiözese München und Freising.

    KDFB engagiert: Was genau ist Ihre Aufgabe?

    Modesto: Grundsätzlich kann ein Seligsprechungsverfahren von einem Orden oder wie im Fall Ellen Ammanns von einer Diözese initiiert werden. Kardinal Reinhard Marx hat beim Festgottesdienst zum 150. Geburtstag Ellen Ammanns 2022 zugesagt, die Seligsprechung zu unterstützen. Zunächst geht es darum, Dokumente und Zeugnisse zu Ellen Ammann aufzutreiben. Es muss eine Historische Kommission eingesetzt werden, theologische Gutachter*innen müssen beauftragt werden. Die Historische Kommission kümmert sich darum, alle Archive, die für Ellen Ammann maßgeblich sind, zu sichten und alles zu sammeln, was es überhaupt zu Ellen Ammann gibt, damit es ausgewertet werden kann. Meine Aufgabe als möglicher designierter Postulator für die Causa Ellen Ammann wird es sein, zu postulieren, also die Rechercheergebnisse einzufordern, und den Beteiligten dafür meine Hilfe anzubieten.

    Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens?

    Modesto: Wir stehen vor dem Beginn der Einleitungsphase. Ich habe bereits Ausschau gehalten nach geeigneten Personen, mit denen eine Historische Kommission besetzt werden kann. Sie soll zu zwei Dritteln aus Frauen bestehen. Sobald intern einige offene Fragen geklärt sind, kann die Kommission ihre Arbeit aufnehmen.

    Was muss genau geprüft werden?

    Modesto: In der Einleitungsphase wird das Leben der betroffenen Person geprüft. Besondere Bedeutung hat dabei die Frage, ob sie unter den Gläubigen einen Ruf der Heiligkeit genießt. Kann Ellen Ammann der „Heroische Tugendgrad“ zuerkannt werden? Das heißt: Hat sie die theologischen Tugenden – Glaube, Hoffnung, Liebe – sowie die Kardinaltugenden – Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit – in außerordentlicher Weise gelebt?

    Befragen Sie auch Zeugen?

    Modesto: Bei Ellen Ammann ist es nicht mehr möglich, Augenzeug*innen ihres Wirkens zu vernehmen. Aber man kann ihre Nachkommen hören. Und es gibt sicherlich Personen, die über Eindrücke berichten können von Menschen, die Ellen Ammann tatsächlich getroffen haben. Ich habe die Aufgabe, diese Zeug*innen zu finden. Befragt werden sie allerdings vom Kirchlichen Gerichtshof. Dabei geht es um biografische Daten und oft auch um den Heroischen Tugendgrad. Erst nach den Befragungen erhalte ich die Protokolle zur Auswertung.

    Wie geht es dann weiter?

    Modesto: Wenn alle Dokumente erhoben sind, wenn das Gutachten der Historischen Kommission vorliegt und die theologischen Gutachter*innen ihr Urteil abgegeben haben, müssen die sterblichen Überreste der selig zu sprechenden Person identifiziert werden. Es wird also das Grab Ellen Ammanns im Alten Südfriedhof in München geöffnet werden. Anschließend werden alle relevanten Dokumente übersetzt und nach Rom gesandt. Ist die dortige formaljuristische Prüfung erfolgt, werde ich beauftragt, eine Arbeit nach historisch-kritischen Gesichtspunkten zu schreiben. Diese Arbeit beleuchtet Leben und Wirken von Ellen Ammann und wird vom Vatikan begleitet. Die Arbeit wird umfangreich werden, weil sehr viel Material vorhanden ist. Zu berücksichtigen sind unter anderem Ellen Ammanns Landtagsreden, ihre ganze Korrespondenz, die sie zum Beispiel in Sachen Bahnhofsmission geführt hat oder zur Ausbildung von Frauen in Sozialberufen etcetera. In der Arbeit muss der Heroische Tugendgrad herausgestellt und anhand von Dokumenten und Zeugenaussagen belegt werden.

    Ist die Arbeit vom Vatikan angenommen und sind alle Kriterien erfüllt, wird sie kirchenintern veröffentlicht. Sobald die Vollversammlung des zuständigen römischen Dikasteriums alle Voraussetzungen erfüllt sieht, wird der Heroische Tugendgrad mittels eines Dekrets vom Papst festgestellt.

    Ist auch ein durch die Fürbitte bei Ellen Ammann erfolgtes Wunder notwendig?

    Modesto: Ja, weil sie keine Märtyrerin, sondern eine Bekennerin ist, die eines natürlichen Todes gestorben ist. Ich möchte jetzt nicht zu viel sagen, aber eine Dame hat mir schon über etwas berichtet, das sich meiner Ansicht nach eignet, einen Feststellungsprozess für ein mutmaßliches Wunder anzustreben. Es ist aber immer hilfreich, wenn man auf weitere Gebetserhörungen verweisen kann. Deshalb sind alle Gläubigen aufgerufen, Ellen Ammann in schwierigen Situationen im Gebet anzurufen. Das stützt die „fama sanctitatis“, den Ruf der Heiligkeit.

    Benötigen Sie also Unterstützung durch die Gläubigen?

    Modesto: Ja, auf jeden Fall. Ein Seligsprechungsprozess soll nicht im Hinterstübchen stattfinden. Im Gegenteil. Die Gläubigen sind ausdrücklich aufgefordert, mitzuteilen, was sie über die selig zu sprechende Person wissen. Und das können sie nur, wenn sie offiziell informiert sind, dass ein Verfahren im Gange ist. Wir scheuen das Licht der Öffentlichkeit überhaupt nicht. Im Gegenteil, wir sind sehr dankbar, dass das Verfahren öffentlich ist, weil wir dann auch auf Informationen hoffen dürfen. Auch ist ein entsprechender Bekanntheitsgrad ein Zeichen der fama sactitatis.

    Ich möchte deshalb einen Appell an die Frauenbundfrauen richten: Beten Sie bitte für die Seligsprechung Ellen Ammanns und teilen Sie uns mit, ob Sie Informationen über Ellen Ammann haben oder jemanden kennen, der weiterhelfen kann. Informieren Sie uns auch, wenn eine schwierige Situation gut ausgegangen ist, in der Sie Ellen Ammann um Fürsprache gebeten haben.

    Wie sehen Sie die Chancen von Ellen Ammann?

    Modesto: Ich bin sehr zuversichtlich, denn ich glaube, dass Ellen Ammann alle Voraussetzungen sehr gut erfüllt. Es ist bewundernswert und fantastisch, was sie alles geleistet hat. Und sie hat sich immer auf ihren katholischen Glauben bezogen – ein Multitasking vor religiösem Hintergrund. Ellen Ammanns Besonderheit liegt in ihrer Vielseitigkeit. Sie war verheiratet, Mutter von sechs Kindern. Sie hat nicht nur karitativ und politisch segensreich gewirkt, sondern auch viele Organisationen gegründet und sogar ein Säkularinstitut. Sie hat aus dem Glauben heraus gehandelt, und ihre Seligsprechung wird von allen Organisationen unterstützt, die auf ihre Initiative zurückgehen, darunter der KDFB Bayern mit weit mehr als 100.000 Frauen.

    Würde beim Seligsprechungsprozess auch Ellen Ammanns beherztes Eingreifen zur Vereitelung des Hitlerputsches 1923 berücksichtigt werden?

    Modesto: Dieses Eingreifen wird sicherlich einfließen, da Ellen Ammann damals ja die Koordination der Vereitelung übernommen hat. Wer weiß, was gewesen wäre, wenn sie das nicht getan hätte? Das ist ein wichtiger Punkt. Sie hat immerhin dazu beigetragen, zehn Jahre Hitler-Herrschaft zu verhindern. Es ist auch bekannt, dass Hitler später die erste Biografie über Ellen Ammann hat einstampfen lassen. Zum Glück gibt es noch einige wenige Exemplare.

    Gibt es Verbindungen nach Schweden, Ellen Ammanns Geburtsland?

    Modesto: Ja, Ellen Ammann lebte bis zum Abitur in Stockholm, danach verbrachte sie ein Jahr in Westfalen bei Gutsbesitzern, wo sie gut Deutsch gelernt hat. Sie hatte eine Freundin aus Jugendzeiten, der sie Briefe geschrieben hat. Diese müssen noch ins Deutsche übersetzt werden. Ich habe schon Kontakt mit der Diözese Stockholm aufgenommen, dort ist Ellen Ammann noch nicht so bekannt. Aber eine schwedisch-deutsche Katholikin, für die ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet wird, ist für die dortige Diözese sehr interessant. Wir müssen schauen, was die Archive in Stockholm hergeben.

    Begleiten Sie neben Ellen Ammann noch weitere Seligsprechungsverfahren?

    Modesto: Schon seit Längerem bearbeite ich den Religionsphilosophen Romano Guardini und den katholischen Journalisten Fritz Michael Gerlich, daneben Willi Graf unter anderem als Mitglied der Weißen Rose und Walter Klingenbeck, einen jungen Azubi der Elektrotechnik, der einen Widerstandssender gegen Hitler aufbauen wollte und deshalb mit 19 Jahren zum Tode verurteilt wurde. Ellen Ammann wäre dann das fünfte Verfahren, das ich begleiten werde. Ellen Ammann liegt mir sehr am Herzen, da schon seit Langem Frauen auf mich zukamen, die ihre Seligsprechung befürworten. Als Postulator möchte ich alle Verfahren wenn möglich zu Ende führen, auch wenn ich in den Ruhestand gehe. Ich habe mich lange mit diesen faszinierenden Persönlichkeiten beschäftigt, und sie sind mir ans Herz gewachsen. Wenn es mit Ellen Ammann richtig losgeht, werde ich das Verfahren möglichst auch zu Ende führen.

    Finden neben der Recherchearbeit zu den Lebensläufen der selig zu sprechenden Personen auch Veranstaltungen statt?

    Modesto: Zu Willi Graf findet beispielsweise am 11. und 12. Oktober 2023 eine Fachtagung in der Katholischen Akademie Bayern statt, anlässlich seines 80. Todestages. Graf wurde am 12. Oktober 1943 in Stadelheim umgebracht. Die Tagung soll sein ganzes Umfeld beleuchten.

    Im Fall von Ellen Ammann wird ihr Wirken am 7. November 2023 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel „Demokratie in der Krise“ in der Katholischen Akademie Bayern beleuchtet.
    Außerdem haben wir mit dem Frauenbund und anderen Organisationen Ellen Ammanns 90. Todestag mit einer Kranzniederlegung am Südfriedhof begangen und anschließend einen festlichen Gottesdienst gefeiert, den ich als Kantor und Sänger mitgestalten durfte. Weihbischof Bischof hat zelebriert, der auch für die Polizeiseelsorge sowie für die Frauenseelsorge auf dem Gebiet der Freisinger Bischofskonferenz zuständig ist und Geistlicher Begleiter des Säkularinstituts Ancillae Sanctae Ecclesiae war. In St. Ursula in München-Schwabing, Ellen Ammanns Wohnsitzpfarrei, haben wir in einer Seitenkapelle eine Schautafel aufgestellt, die an Ellen Ammann erinnert. Inspiriert wurden wir durch die Dauerausstellung zu Ellen Ammann in der KDFB-Geschäftsstelle in der Schraudolphstraße. Im kommenden November werden wir in St. Ursula wieder einen Gedenkgottesdienst zu ihrem Todestag (23. November 1932) feiern. Wir wollen die Erinnerung an Ellen Ammann lebendig erhalten.

Autorin: Eva-Maria Gras

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
© 2024 | KDFB engagiert