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„Ich fordere den Mutterschutz für alle“

28.09.2023

Schwangere Selbstständige erhalten nicht den gleichen gesetzlichen Mutterschutz wie
Angestellte. Ein Kind gefährdet deswegen nicht selten ihre unternehmerische Existenz. Die Tischlerin und Mutter einer kleinen Tochter Johanna Röh (35) will den Mutterschutz für alle Frauen durchsetzen – und hat dabei schon einiges erreicht.

Johanna Röh liebt Holz. Ihre Leidenschaft gilt der Tischlerei. Sie hat sich darauf spezialisiert, Möbel zu schreinern, die zu den Menschen passen. Mit Hingabe und Kreativität stellt die Tischlermeisterin zum Teil ausgefallene Möbelstücke her. „Ein Kunde wollte zum Beispiel, dass ich in seine neue Schrankwand ein beleuchtetes Relief des gerade bewältigten Jakobswegs mit einbaue“, erinnert sich die 35-Jährige.

Den Traum von der eigenen Tischlerei verwirklichte sich Johanna Röh vor sieben Jahren. Im Schuppen des elterlichen Bauernhofs ihres Mannes im niedersächsischen Alfhausen richtete sie sich eine eigene Werkstatt ein. Alles lief prima, das Auftragsbuch war voll – bis Johanna Röh schwanger wurde.

Als die Schwangerschaft und die komplizierte Geburt sie dazu zwangen, weniger oder gar nicht zu arbeiten, wurde ihr bewusst, was es heißt, schwanger und selbstständig zu sein: „Wenn ich alleinerziehend gewesen wäre, hätte ich mich nicht selbst ernähren können“, sagt sie. Denn selbstständige Frauen sind nicht wie Angestellte durch den gesetzlichen Mutterschutz in dieser sensiblen Lebensphase geschützt. Für sie gibt es keine Schutzfrist von sechs Wochen vor der Entbindung und von zwei Monaten nach der Geburt. Sie erhalten auch kein Mutterschaftsgeld, das Angestellten teils in Höhe des vollen Lohns gezahlt wird.

Wie bei vielen anderen schwangeren Alleinunternehmerinnen geriet auch Johanna Röhs Betrieb kurzzeitig ins Wanken – trotz des finanziellen Rückhalts durch ihren Mann. Die Krankengeldzahlungen von täglich 6,61 Euro deckten nicht ansatzweise die Fixkosten ihrer Tischlerei ab. Zudem mussten Aushilfen eingestellt werden, um ihre Arbeitskraft zu ersetzen.

Auf ihrem Instagram-Kanal machte Johanna Röh mit einem Beitrag unter dem Titel „Handwerkerin und selbstständig – Schwangerschaft darf keine Existenzbedrohung sein“ ihrem Ärger Luft. Bald meldeten sich andere Handwerkerinnen in der gleichen Situation.

Gemeinsam beschlossen die Frauen, eine Petition unter dem Titel „Mutterschutzgesetz – Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere“ im Bundestag einzureichen. Über 100 000 Unterschriften kamen zusammen. Daraufhin beschäftigte sich der Bundestag in diesem Juni mit dem Thema und sprach sich einstimmig für einen besseren Mutterschutz für selbstständige Frauen aus. Nun ist das Bundesfamilienministerium mit der Prüfung der Möglichkeiten beauftragt.

Ein großer Erfolg für Vorkämpferin Johanna Röh. Trotzdem hat sie Angst, dass das Anliegen im Sande verlaufen könnte. Deshalb hat sie mit anderen Frauen im November letzten Jahres den Verein „Mutterschutz für alle“ gegründet. Gemeinsam wollen sie auf ihrer Homepage www.mutterschutzfueralle.de und auf Instagram unter „#mutterschutzfueralle“ andere betroffene Frauen informieren und beraten. Johanna Röh investiert viel Zeit in ihr Engagement: „Das ist es mir wert! Es liegt mir wirklich sehr am Herzen, dass wir den Mutterschutz für selbstständige Schwangere durchbekommen.“

Autorin: Karin Schott

Mutterschutzgesetz gilt nur für Angestellte

Das Mutterschutzgesetz schützt die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit. Der Mutterschutz beginnt mit der Schwangerschaft. Angestellte Mütter sind in dieser Zeit vor Kündigung geschützt. Einen „Leitfaden zum Mutterschutz“ gibt es auf der Homepage des Bundesfamilienministeriums unter www.bmfsfj.de. Wer Zweifel an seinem Beschäftigungsstatus und seiner Mutterschutz-Berechtigung hat, kann sich an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin wenden. Beratungskontakt unter www.deutsche-rentenversicherung.de oder unter dem kostenlosen Servicetelefon 0800/1000 4800.

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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