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Zuhause im Ortskern

Ein gemütliches Zuhause hat sich Familie Fallenbacher in diesem historischen Gehöft geschaffen. Foto: C. Fallenbacher

26.07.2021

Flächen sind knapp. Werden sie versiegelt, leiden die Tiere, die Pflanzen und das Klima. Doch woher bezahlbaren Wohnraum für Familien nehmen? Eine Initiative in Unterfranken macht das Wohnen im sanierten Altbau attraktiv – mit Erfolg.

Die Fachwerkhäuser waren die schönsten.“ Als Christina Fallenbacher und ihr Mann Christoph in ihrem Heimatlandkreis Haßberge in Unterfranken Häuser anschauten, um ein Zuhause für ihre Familie zu finden, war ihr Fazit eindeutig: „Wir haben uns viele Neubausiedlungen und Baugrundstücke angesehen. Aber da war immer alles so eng beieinander, man hatte kaum Freiraum und wenig Garten.“

Freiraum gefunden hat Familie Fallenbacher mittlerweile, und zwar jede Menge. Dafür brauchte sie aber einen langen Atem und Mut. Nach viel Suche und noch mehr Arbeitseinsatz ist die mittlerweile fünfköpfige Familie, zu der Sophie (9), Max (7) und Charlotte (2) gehören, heimisch geworden. Irgendwann rückte das lange leerstehende Gehöft, ein Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert – direkt in der Hauptstraße Kleinmünsters, dem Heimatort von Christina Fallenbacher – in den Blick der Familie. „Wir haben es dann gefühlt 500 Mal angesehen, haben hin und her überlegt und uns beraten lassen.“ Dass das Grundstück ein Schatz ist, war dem Ehepaar klar. „Das Haus liegt mitten im kleinen Ort, aber hinter der Scheune geht es etwa 2000 Quadratmeter ins Grüne – samt Bachlauf und alten Weidenbäumen.“ Genug Platz für einen großen Küchengarten, zur Hühnerhaltung und zum Spielen und Erholen. Aber das Haus war in einem sehr schlechten Zustand. Würde eine Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes zu stemmen sein?

„Es ist einfach mehr Leben im Dorf als in einer Siedlung.“

Dass die Familie auf diese Frage eine Antwort gefunden hat, ist neben viel Eigeninitiative auch der Hofheimer Allianz zu verdanken. In der Gemeinde Hofheim und ihren Partnergemeinden hat man Leerstands- und Flächenmanagement schon früh als Gemeindeaufgabe in den Blick genommen und als wesentlichen Faktor für die Ortsentwicklung erkannt. Sieben Gemeinden mit insgesamt 53 Ortsteilen haben sich zusammengeschlossen, um die ländliche Region für die Zukunft zu stärken. Ein eigens dafür eingestellter Allianz-Manager hat den Überblick über die Leerstände, vermittelt zwischen Eigentümern und Interessierten, begleitet bei Bauvorhaben als Ansprechpartner und kennt Fördermöglichkeiten. Darüber hinaus finanziert die Allianz eine Förderung von bis zu 10000 Euro, eine Erstberatung durch einen Architekten und eine Energieberatung. Denn wenn man als Laie in einem unsanierten, alten Gebäude steht, lässt sich schwer abschätzen, was auf einen zukommt, wenn man sich dem Projekt stellt.

In den Ortschaften rund um Hofheim sah es vor 15 Jahren alles andere als rosig aus. Mehr und mehr leerstehende, zerfallende Gebäude säumten die Straßen, und viele junge Menschen zogen weg – düstere Zukunftsaussichten für den Landstrich im nördlichen Franken. Doch die Gegenmaßnahmen der Gemeinde-Allianz Hofheimer Land haben gefruchtet. Allianz-Manager Philipp Lurz stellte das Vorgehen der Gemeinden beim Online-Seminar „Wem gehört das Land?“ vor: „Wir konnten mittlerweile knapp 350 Leerstände wieder zum Leben erwecken und an neue Besitzer vermitteln. Das entspricht einer Flächenersparnis von etwa 30 Hektar, die nicht in neues Bauland umgewandelt werden musste. Diese Fläche kann die Landwirtschaft weiter nutzen.“

In keinem anderen Bundesland wird so viel gebaut wie in Bayern

Gründe für das Eindämmen des Flächenverbrauchs gibt es genug: Mehr als 80 Fußballfelder – fast 60 Hektar Boden – werden in Deutschland laut Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) jeden Tag verbraucht: für Straßen und Plätze, für Gewerbe- und Bürogebäude und für neue Häuser. Zwar ist der Flächenverbrauch in den letzten Jahren gesunken, doch nicht genug. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung sieht vor, dass ab 2020 nur noch 30 Hektar Fläche täglich verbraucht werden. Fläche ist nicht vermehrbar, deshalb zählt jeder Hektar, der eingespart werden kann. Landwirte haben mit dem Flächenfraß zu kämpfen, da die Kauf- und Pachtpreise pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. In keinem anderen Bundesland wird so viel gebaut wie in Bayern. Von heute zehn Hektar pro Tag soll der Flächenverbrauch im Freistaat bis 2030 auf fünf Hektar reduziert werden. Etwa die Hälfte der bebauten Fläche ist versiegelt. Ein Problem auch für den Hochwasserschutz, für Wildtiere und Insekten ebenso wie für Menschen, die sich in der Natur erholen wollen.

„Wenn einer anfängt zu sanieren, ziehen viele nach“

Naherholung und die Stärkung der Dorfgemeinschaften stehen auch auf der Agenda der Hofheimer Allianz. So sind in der Allianz neben einem Schwimmbad und einem Museum für Jüdische Kultur auch mehrere Dorfläden und Gemeinschaftshäuser entstanden. Philipp Lurz hat erfahren, dass es ausstrahlt, wenn der Dorfplatz oder ein Gebäude im Ortszentrum zum Vorzeigeobjekt wird: „Wenn einer anfängt zu sanieren, dann ziehen viele nach und das Ortsbild verändert sich. Die Menschen sind daran interessiert, dass ihr Ort lebt.“

Bereits seit einigen Jahren beschäftigt sich die Bayerische Landfrauenvereinigung im KDFB mit Altortentwicklung. Die Vorsitzende Christa Reiterer weiß: „Der erste Eindruck zählt – viele Leerstände, leere Schaufenster, jede Menge Parkplätze, aber niemand, der sie braucht. Eine Bushaltestelle mit einem Fahrplan, der sich auf zwei Abfahrtszeiten beschränkt. Hier will keiner ansässig werden.“ Umso wichtiger sind erfolgreiche Strategien, um das Leben auf dem Land auch für junge Familien attraktiv zu machen. Philipp Lurz staunt immer wieder, von woher ihn Anfragen nach sanierungsbedürftigem Altbestand erreichen. „Menschen aus Berlin oder Düsseldorf kontaktieren uns, die sich einen Umzug in unsere Region vorstellen können. Da merkt man, dass unsere Arbeit wahrgenommen wird.“

„Fachkundige Beratung am Anfang ist Gold wert“

Familie Fallenbacher ist glücklich damit, dass sie sich für das Leben im Altort entschieden hat: „Es ist einfach mehr Leben im Dorf als in einer Siedlung.“ Momente, die hätten verzagen lassen können, gab es in der Bauphase genug. Zum Beispiel, als der erste Kostenvoranschlag für die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes kam, der sich in ungeahnte Höhen aufschwang. Doch mit der Unterstützung der damaligen Bürgermeisterin ist es der Familie gelungen, mit Bau- und Denkmalamt einig zu werden, sodass das Bauvorhaben realistisch umsetzbar war. Erhalten geblieben sind das alte Fachwerk, das Sandsteinhofportal und die alten Eichenbalken im Innenbereich. Die Grundmauern konnte die Familie aber neu hochziehen.

„Ein bisschen mutig muss man sein, man lernt sich in der Sanierungsphase selbst ziemlich gut kennen und sollte wissen, was man sich zumuten kann“, resümiert Christina Fallenbacher. Ihr Tipp: „Fachkundige Beratung am Anfang ist Gold wert. Gleich bei den ersten Terminen sind vom begleitenden Architekten so viele Ideen mitgeliefert worden, das lohnt sich in jedem Fall.“ Ihren Lieblingsplatz im sanierten Familienzuhause hat sie auch gefunden: „Das ist der Küchengarten, daneben plätschert der Bach durchs Grundstück, und unsere Gänsefamilie leistet mir bei der Gartenarbeit Gesellschaft.“

Autorin: Claudia Klement-Rückel
aus KDFB engagiert 4/21

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