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Pro Parité-Gesetze

Die Kasseler Juraprofessorin Silke Laskowski, Foto: privat

04.10.2019

Die Kasseler Juraprofessorin Silke Laskowski hat als Sachverständige am Brandenburger Paritätsgesetz mitgewirkt und 2016 eine Popularklage des Aktionsbündnisses Parité gegen die Wahlgesetze in Bayern vertreten, die allerdings abgewiesen wurde und nun zur Prüfung beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. 

KDFB engagiert: Sind Parité-Gesetze verfassungswidrig?

Silke Laskowski: Paritätsregelungen beenden im Gegenteil einen langjährigen Verfassungsverstoß. Sie sichern endlich das Recht von Frauen auf tatsächliche Chancengleichheit bei den Kandi­datenaufstellungen der Parteien. Das ist grundgesetzlich geboten, und so sagt es auch das Bundesverfassungs- gericht: Die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung ist in einer Demokratie unverzichtbar. Bislang haben Frauen aber deutlich schlechtere Chancen, aufgestellt und gewählt zu werden, was zu den zu niedrigen Frauenanteilen in den Parlamenten führt. Infolgedessen fehlt es an der effektiven Einflussnahme des Volkes in Form der Bürgerinnen auf das Parlament, denn sie haben dort mangels angemessener Repräsentanz keine Stimme, ihre Perspektiven und Interessen daher kein Gewicht. Dies widerspricht dem Demokratieverständnis des Grundgesetzes, das an die Volkssouveränität anknüpft und die effektive Einflussnahme des Volkes, also der Staatsbürgerinnen und -bürger, auf die Staatsorgane fordert.  

KDFB engagiert: Artikel 3 des Grundgesetzes sagt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Da muss der Staat doch handeln! 

Silke Laskowski: Der Artikel 3 des Grundgesetzes verlangt, dass der Staat da endlich aktiv wird, denn wir sehen: Frauen sind nicht gemäß ihrem Anteil in der Bevölkerung vertreten und damit offensichtlich strukturell benachteiligt. Es handelt sich nicht um ein individuelles Problem einzelner Frauen, sondern um ein strukturelles Problem der Parteien. Der Ansatzpunkt liegt bei den Parteien: Deren Aufgabe ist es, die Verbindung zwischen Wahlvolk und Parlament herzustellen. Das Wahlvolk besteht etwa zur Hälfte aus Frauen und Männern, tatsächlich sind Frauen mit 51,5 Prozent sogar die Mehrheit. Es handelt sich um die beiden Kerngruppen der Gesellschaft, ohne die sie nicht lebens- und zukunftsfähig ist. Daher müssen Parteiorganisation und -struktur so ausgestaltet sein, dass die wirksame Einflussnahme beider Bevölkerungshälften, die aufgrund ihrer „männlichen“ und „weiblichen“ Sozialisation unterschiedliche Perspektiven und Interessen entwickeln, im Parlament auch tatsächlich möglich ist.

KDFB engagiert: Ist es nicht egal, welches Geschlecht Politiker haben, solange sie gute Politik machen? 

Silke Laskowski: Frauen und Männer werden in patriarchalischen Gesellschaften unterschiedlich sozialisiert. Sie haben daher unterschiedliche Wahrnehmungen, setzen infolgedessen unterschiedliche Prioritäten und entwickeln unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen. Das Staatsvolk besteht aus diesen beiden Kerngruppen, deren Perspektiven und Interessen daher mit hälftigem Gewicht auch im Parlament wiedergegeben werden müssen. Aufgrund der eklatanten Unterrepräsentanz von Frauen in den Parlamenten dominiert dort seit Jahrzehnten der männliche Blick, der dazu führt, dass eine Politik betrieben wird, die noch immer Frauen diskriminiert.  

KDFB engagiert: Der Frauenanteil in den Land­tagen und dem Bundestag liegt zwischen 24 und 40 Prozent, auch ohne ein Gesetz. Das stimmt doch op­timistisch, oder? 

Silke Laskowski: Nein. Es geht nicht bergauf, schon gar nicht von allein. Der Anteil von Frauen im Deutschen Bundestag lag 2005 bei knapp 32 Prozent, ist dann 2014 auf 36,5 Prozent gestiegen – aber nur, weil eine stark männerlastige Partei, die FDP, schlicht aus dem Bundestag geflogen war – und liegt seit 2017 wieder nur bei knapp 31 Prozent. Seit 1998 stagniert der Frauenanteil bei etwa 30 Prozent. Ohne Parité-Gesetz wird sich daran nichts ändern. 

KDFB engagiert: In vielen Bundesländern gibt es bei Kommunalwahlen sogenannte offene Listen. In Bayern gibt es sie auch bei den Landtagswahlen. Wähler und Wählerinnen können dabei einzelne Kandidaten und Kandidatinnen nach vorne wählen und gezielt unterstützen. Wären solche offenen Listen eine Alternative zu Paritätsgesetzen?

Silke Laskowski: Bei Wahlen, bei denen es möglich ist, die Listenreihung über die Stimmabgabe zu beeinflussen, finden sich die meisten ungültigen Stimmen. Das ist sehr kompliziert, viele Wählerinnen und Wähler kommen damit nicht gut zurecht. Entscheidend ist aber auch hier die Zahl der nominierten Frauen und Männer: Wenn Frauen von den Parteien nicht nominiert werden, können sie anschließend vom Volk auch nicht gewählt werden. Ganz einfach. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass einzelne Personen auf einer Liste, auf der Frauen fehlen, von einem unteren Listenplatz nach oben gelangen können. Nicht vorhandene Frauen können nicht nach vorne gewählt werden. Es braucht paritätische Vorgaben.  

Interview: Susanne Zehetbauer
aus: KDFB engagiert 10/2019

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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