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Nach Tschechien, um ein Versprechen einzulösen

KDFB-Vizepräsidentin Sabine Slawik, Foto: privat

29.06.2018

Die Vertreibung aus dem Sudetenland ist in ihrer Familie lange kein Thema. Erst Jahre nach Vaters Tod kann KDFB-Frau Sabine Slawik aus Augsburg samt Großfamilie ein Versprechen einlösen, das sie ihm gegeben hatten: noch einmal das Dorf seiner Kindheit im heutigen Tschechien zu besuchen.

Anlass für die viertägige Reise zu elft ist der 70. Geburtstag von Sabine Slawiks Mutter. Dresden steht auf dem Programm. Ein Tag wird der sudetendeutschen Heimat des Vaters gewidmet, aus der er 1945 vertrieben wurde, ein Schicksal, das er mit vielen teilt. Insgesamt werden nach dem Zweiten Weltkrieg drei Millionen der knapp 3,2 Millionen Sudetendeutschen enteignet und ausgewiesen. Umgesiedelte Neubürger ziehen in ihre Häuser und Wohnungen ein.

Heute liegt der Heimatort Tetschen-Bodenbach im Westen Tschechiens am Rand des Nationalparks Sächsische Schweiz, eine Autostunde südöstlich von Dresden. „Es war mein Wunsch, sein Elternhaus einmal zu sehen“, so KDFB-Vizepräsidentin Sabine Slawik. 

Das Bedürfnis in der Gesellschaft, über den Zweiten Weltkrieg und die Vertreibung zu reden, habe sich erst Jahrzehnte nach Kriegsende entwickelt, sagt sie: „Heute weiß man, dass es ungefähr 70 Jahre braucht, bis man gesellschaftlich in der Lage ist, über einschneidende Ereignisse zu sprechen. Denken wir an die Zeitzeugen, die erst seit ein paar Jahren gehört werden. Aber so viel Zeit blieb meinem Vater nicht. Er starb 2003 mit 67 Jahren.“

Beklemmende Atmosphäre

Der Besuch des väterlichen Elternhauses verläuft jedoch nicht wie erhofft. „Irgendwie war die Fahrt ins Grenzland beklemmend. Bei den Menschen war eine Perspektivlosigkeit zu spüren. Wie wir mit dem Auto in das Dorf gefahren sind, haben uns die Leute argwöhnisch angeschaut, oder es wurde hinter leicht weggezogenen Vorhängen hervorgelugt. Wir haben uns nicht wie Gäste, sondern wie Eindringlinge gefühlt“, erzählt Sabine Slawik.

Aus dem geplanten gemütlichen Dorfspaziergang mit Kirchen- und Gaststättenbesuch wird nichts: Die Wirtschaft ist geschlossen. Auch im Elternhaus des Vaters öffnete niemand die Tür. „Irgendwie haben wir uns nicht einmal mehr getraut, die familiengeschichtlich bedeutende Kirche zu besuchen. Letztendlich sind wir beinahe aus dem Dorf geflohen. Wir hatten das Gefühl zu stören und dass die Einwohner dachten: Da kommt jetzt jemand, der uns etwas wegnehmen will.“

Dennoch: Der Besuch hat sich gelohnt

In den 1990er-Jahren bei ihrem ersten Besuch nach der Vertreibung hatten ihre Eltern mehr Glück: Auf ihr Klingeln öffnet eine Frau die Tür, zeigt ihnen sogar die Räumlichkeiten. Damals hatte sich im Haus nicht sehr viel verändert. Inzwischen ist es renoviert. 

Für Sabine Slawik hat sich die Reise dennoch gelohnt: „Es war gut, einmal zu sehen, wo mein Vater im Garten gespielt und unsere Familie ihren Ursprung hat. Das war auch für unsere Kinder sehr interessant.“ 

Autorin: Karin Schott
aus: KDFB Engagiert 7/2018

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