„Manchmal hätte ich gern mehr Distanz“
Monika, 53, lebt mit ihrem Mann und ihrer 21-jährigen Tochter in München. Ihr Sohn, 25, ist vor eineinhalb Jahren ausgezogen. Sie schildert ihre Situation:
„Mein Sohn und ich telefonieren alle paar Tage, oder ich erfahre über WhatsApp, was es Neues gibt. Meine Tochter lebt noch zu Hause. Seit sie von ihrem Auslandsaufenthalt zurück ist – sie war eineinhalb Jahre als Au-pair in Südengland – , ist es bei uns eher wie in einer Wohngemeinschaft. Sie fühlt sich (fast) genauso für den Haushalt verantwortlich wie ich, sie wäscht, kocht gelegentlich und kauft ein. Nicht so systematisch wie ich, aber meistens von allein. Es läuft problemlos, und darüber staune ich manchmal. Oft setzt sie sich dazu, wenn wir Gäste haben, und ich wundere mich dann, dass sie nichts Besseres zu tun hat. Mir wäre es nie eingefallen, mich zu meinen Eltern zu setzen, wenn die Besuch hatten. Umgekehrt ergibt sich aber auch oft Folgendes: Ihre Freunde um-armen mich, wenn sie mich treffen, sie duzen mich alle, manchmal fragen sie mich um Rat oder schauen auf einen Kaffee vorbei – und wir reden über Gott und die Welt und die persönlichen Ziele. Es gibt da kaum Distanz und Abgrenzung von Seiten der jungen Leute. Eher bin ich diejenige, die sich abgrenzt. Aber wenn ich sage: ,Ich gehe jetzt, ihr wollt doch sicher unter euch sein’, sehe ich in erstaunte Gesichter. Mich wundert das immer wieder, denn das wäre bei meinen Eltern vollkommen undenkbar gewesen. Da galt: Reden kann man nur offen, wenn die Eltern nicht im Raum sind.
„Die unmittelbare Sorge hört nicht auf“
Ich freue mich über das gute Verhältnis und die Nähe. Aber auch das hat seinen Preis: Ich bin viel näher dran. Ich erfahre viele Widrigkeiten sofort, von denen ich lieber erst wüsste, wenn sie schon überwunden und zu einer netten Anekdote geworden sind. Krankheiten, Liebeskummer, Prüfungsstress. Verhütungsprobleme, selbst Autopannen werden unmittelbar mitgeteilt – das Handy macht’s möglich. Ich glaube, das ist die Kehrseite dieser neuen Beziehungsqualität: dass die unmittelbare Sorge nicht aufhört. In dieser Hinsicht hätte ich manchmal gerne mehr Distanz.“
Protokoll: Susanne Zehetbauer
aus: KDFB Engagiert 8+9/2018