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Macht ist …

31.05.2023

Was heißt es, Macht zu haben?
Wie fühlt es sich an? Macht.Frauen.Stark. – passend zum Schwerpunktthema hat KDFB engagiert unterschiedliche Frauen dazu befragt – mit einem Ergebnis,
das überrascht.

Ist von Frauen und Macht die Rede, denken die meisten zuerst an großartige Karrieren. An Frauen in den Chefetagen der Politik und Wirtschaft, die in gehobenen Führungspositionen die Strippen ziehen. An Frauen, die sich in der von Geld
und Erfolg regierten Männerwelt durchsetzen müssen.

Doch es gibt auch einen anderen Blickwinkel. Dabei geht es um die Macht, das eigene Leben frei zu gestalten, Ziele zu verfolgen, die einem wichtig sind. Jede Frau, die ihre Stärken erkennt und sich traut, sie einzusetzen, ist mächtig. Denn sie ermächtigt sich selbst dazu, ihren Platz in der Welt einzunehmen, sich und ihre Talente in die Gesellschaft einzubringen.

Philosophisch gesehen ist Macht die Fähigkeit, etwas zu tun. Doch vielen Frauen, die bewusst ihren Alltag gestalten, ob im Studium, Beruf, in der Familie oder im Ehrenamt, geht es um mehr: Sie wollen etwas Gutes tun. Dafür bringen sie jede Menge Energie und Mut mit. Wenn sie sich Macht nehmen, tun sie es auf ihre eigene Weise. Und wenn sie zu Wort kommen, schwingt ihre Lebenserfahrung mit. Kraft schöpfen sie aus der Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Hat jemand „Frauenbund“ gesagt?

Mutig und befreiend: Julia Römer, 21, Studentin

„Ich glaube, jeder Mensch hat die Macht, etwas aus seinem Leben zu machen. Dabei ist Macht an sich weder gut noch schlecht. Es kommt darauf an, wie man sie einsetzt und für sich oder für seine Ziele nutzt. Sie kann dadurch zu einer negativen und zerstörerischen Kraft werden oder eben zu einer positiven, gestalterischen Kraft“, sagt Julia Römer aus Filderstadt. Die 21-Jährige studiert im zweiten Semester Internationales Management. Ob sie das Studium zu Ende bringen wird, kann sie noch nicht absehen. Der neidvolle Umgang der Studierenden untereinander missfällt ihr, gegenseitige Unterstützung und ernst gemeinte Freundschaften zu anderen seien rar. Viel mehr zählten stattdessen Beziehungen und Verbindungen zu gut situierten Geschäftsleuten und Unternehmen, um schon während des Studiums wichtige Kontakte für die spätere Karriere knüpfen zu können.

„Es muss mehr geben als diese Ellbogenmentalität, als Neid und Konkurrenz. Es kann nicht nur um Geld gehen“, findet Julia Römer. Die Studentin plant, zwei Urlaubssemester einzulegen, um bei Non-Profit-Organisationen in Südamerika und Afrika als ehrenamtliche Mitarbeiterin neue Erfahrungen zu sammeln. „Ich nutze meine Macht als Chance, etwas Sinnvolles zu machen, das mir viel mehr gibt als eine Karriere in einem erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen. Das fühlt sich für mich mutig und sehr befreiend an“, sagt Julia Römer. 

Nicht gelebt werden, selber leben: Andrea Stocklassa, 58, Religionslehrerin

Die eigene Macht als Chance nutzen, um etwas Sinnvolles zu machen.

Die stellvertretende Vorsitzende des KDFB-Diözesanverbands Bamberg ist Religionslehrerin und Wortgottesdienstleiterin. Zusammen mit ihrem Mann lebt die fünffache Mutter in Höchstadt an der Aisch. Für Andrea Stocklassa ist Macht auf den ersten Blick eher negativ besetzt. „Ich denke, dass man Macht schon auch aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann und es immer darauf ankommt, wie man sie nutzt und einsetzt. Wenn ich aber in die Welt schaue, macht mir die Macht eher Angst und sie gefällt mir nicht, weder bei Männern noch bei Frauen“, sagt die 58-Jährige.

Ihre erwachsenen Töchter arbeiten in verantwortungsvollen Führungspositionen und haben teilweise auch schon eigene Familien gegründet. „Ich glaube, dass sich viele junge Frauen sowohl Familie als auch Karriere wünschen“, sagt Andrea Stocklassa. „Und sie haben heutzutage auch relativ gut funktionierende Strukturen wie Kinderbetreuung und Elternzeit, die ihnen teilweise ermöglichen, beides zu meistern. Einfach ist es trotzdem nicht, weil es den Frauen nicht selbstverständlich zugetraut wird, beides unter einen Hut zu bringen. Die Gesellschaft und das nahe Umfeld gehen nicht immer davon aus, dass die Frau alles schaffen könnte. Es wird eher erwartet, dass sie kläglich versagt.“

Zudem würden erfolgreiche junge Frauen oft auch als „Rabenmütter“ bezeichnet, die ihre Kinder wegen ihrer Karriere vernachlässigen. Und Männer seien seltener bereit, flexibler oder auch weniger zu arbeiten, und Betriebe böten nicht genug alternative Arbeitsbedingungen für die jeweiligen Lebensmodelle an. Dass sich dann viele junge Frauen gegen Führungspositionen entscheiden, sei verständlich. Diejenigen, die diesen Spagat zwischen Familie und Karriere wagen und dafür große Herausforderungen in Kauf nehmen, bewundert Andrea Stocklassa: „Es ist großartig, dass junge Frauen ihre Entscheidungsfreiheit nutzen, um ihr Leben so zu leben, wie sie es möchten.“

Und obwohl Macht für sie auf den ersten Blick eher negativ besetzt ist, konnte Andrea Stocklassa eine ganz eigene, wertvolle Beziehung zur Macht als ihre persönliche Kraftquelle aufbauen. Nach ihrer Krebsdiagnose 2016 und während der langen, zermürbenden Krankheitsphase hatte sich Andrea Stocklassa ausgeliefert gefühlt. „Ich war ständig von anderen abhängig, machtlos und dadurch auch psychisch ganz tief unten, das war furchtbar“, erinnert sie sich. „Heute bin ich zwar gesund, dennoch weiß ich, dass ich mein Leben nicht in der Hand habe, das ist utopisch. Aber ich bin wieder mächtig oder bemächtigt, mein Leben zu gestalten und alles so zu machen, wie ich das auch möchte. Ich werde nicht mehr gelebt, ich lebe selber. Das ist Macht für mich.“ 

Machen dürfen: Rita Leidner, 74 und Tochter Michaela, 50

Ob Karrierefrau oder Hausfrau und Mutter: Frauen sollten sich und ihre Stärken stolz präsentieren.

17 Jahre lang war Rita Leidner Vorsitzende des KDFB-Zweigvereins Hofheim, mittlerweile hat ihre Tochter Michaela das Amt übernommen. Für die 74-Jährige ist Macht ein großes, schweres Wort.

Die vierfache Mutter sieht sich sehr wohl als Macherin, fühlt sich allerdings keineswegs mächtig. „Wenn ich aber zurückblicke auf mein Leben und feststelle, was ich alles geschafft habe, bin ich mächtig stolz auf meine Kinder, meine Enkel, auf meine Familie und dass alles gut ist, so wie es ist“, sagt Rita Leidner.

Die Leistung der Frauen, die sich aus ganz unterschiedlichen Gründen dazu entscheiden, zu Hause zu bleiben und sich um die Familie zu kümmern, werde immer noch nicht genug gesehen und gewürdigt. „Sie sind niemals ‚nur‘ Mutter und Hausfrau. Die große Verantwortung, die sie tragen, diese Gestaltungsmacht, sollte nicht durch ein ‚bloß‘ oder ein ‚nur‘ kleingemacht werden – weder von den anderen
noch von den Frauen selbst“, findet Rita Leidner. „Ob sie Hausfrau und Mutter sind, in Teilzeit arbeiten oder in Führungspositionen stehen – Frauen dürfen sich nicht verstecken. Sie müssen sich und ihre Stärken präsentieren. Macht hat viel mit dem eigenen Selbstbewusstsein zu tun und mit Mut, auf sich und seine Leistungen stolz zu sein.“

Tochter Michaela ist Erzieherin und lebt zusammen mit ihrer Mutter im Elternhaus in Reckertshausen bei Hofheim. Die beiden Frauen verbindet neben ihrer großen Liebe zu Vereinen und zum Ehrenamt auch ihr Engagement für den Frauenbund. „Seit ich denken kann, bin ich dem Frauenbund verbunden, weil meine Mutter ein Jahr nach meiner Geburt beigetreten ist. Ich war eigentlich schon immer mit dabei“, erzählt die 50-Jährige. Ehrenamtliches Engagement ist für sie selbstverständlich – und erfüllend zugleich. „Ich bekomme immer viel Dankbarkeit für meinen Einsatz. Das gibt mir so viel Kraft, dass ich anderen wieder etwas zurückgeben kann“, erklärt Michaela Leidner. „Dieses ständige Geben und Nehmen, dieser Kreislauf für eine gute Sache, für wichtige Ziele, zeigt sich auch im Frauenbund. Wir alle setzen unsere Macht ein, um etwas Gutes für unsere Gemeinschaft, für uns Frauen zu erreichen und um etwas in der Gesellschaft zu verändern.“

Für Michaela Leidner bedeutet Macht auch, persönlich freie Entscheidungen treffen zu dürfen, anders als Frauen in vielen anderen Ländern und Kulturen. „Es ist ein wunderbares Gefühl für mich, und ich bin so dankbar dafür, mich frei entfalten und jeden Tag in Freiheit leben zu dürfen. Macht heißt für mich, machen zu dürfen und sich gut zu fühlen, mit dem, was man macht.“

Am Anfang unangenehm: Traudl Völker, 79

Früher war sie als Industriekauffrau und ehrenamtliche Schwesternhelferin tätig und bis 2007 Vorsitzende ihres KDFB-Zweigvereins Haibach, den Traudl Völker 1983
selbst gründete. Die 79-Jährige lebt in Haibach bei Aschaffenburg, hat zwei Söhne und zwei Enkelkinder. Für sie bedeutet Macht, die Fähigkeit zu haben, positiv
auf das Denken anderer Menschen einzuwirken. „Macht klingt so negativ, muss sie aber nicht sein“, sagt sie. „Als ich damals an den Türen in unserem Dorf geklingelt habe, um die Frauen zu überreden, beim Frauenbund mitzumachen und einen Zweigverein in Haibach zu gründen, war das am Anfang unangenehm und nicht einfach für mich. Aber mit jedem Klingeln und jedem Gespräch wurde ich mutiger. Und irgendwann habe ich mich ziemlich mächtig gefühlt, weil ich nicht aufgegeben habe und am Ende genügend Frauen beisammenhatte, um unseren Zweigverein gründen zu können“, erinnert sie sich.

Dass sich Frauen vor der Macht scheuen und zum Beispiel seltener Führungspositionen ergreifen als Männer, liege ganz bestimmt nicht an deren Unfähigkeit oder an unterschiedlichen Wertvorstellungen, sondern an den vielen
Hindernissen, die den Frauen in den Weg gestellt werden. Ob politisch, rechtlich oder im familiären Alltag, Frauen müssten viel stärker und öfter ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen – und dennoch würde ihr Können angezweifelt werden. „Umso
mehr müssen Frauen für ihre Rechte kämpfen und sich in den Mittelpunkt stellen. In unserer Gesellschaft haben meiner Meinung nach immer noch die Männer die größere Macht. Aber es liegt in unserer Macht, das zu ändern.“ 

Schwierige Wege gehen: Susanne Hoffmann, 44, Verwaltungsangestellte

Zusammen mit ihren beiden Kindern lebt die Verwaltungsangestellte in der Nähe von Hildesheim. „Eine Familie zu gründen, war mir immer am wichtigsten. Ich wollte nie
Karriere machen oder bestimmte berufliche Ziele erreichen. Mann, Kinder, Haus und Hund, das war mein Plan“, sagt die 44-Jährige.

Lange Zeit stand ihr Mann an erster Stelle für Susanne Hoffmann. Sie unterstützte ihn, als er seine Arbeit verlor, und begleitete ihn durch seine Depression. Sie machte eine Umschulung und arbeitete in Vollzeit, bis er wieder eine Anstellung fand. Den Wutausbrüchen und seiner ständigen Unzufriedenheit versuchte Susanne Hoffmann, so gut wie möglich, aus dem Weg zu gehen. Nach außen hin bemühte sich die zweifache Mutter, das Bild einer funktionierenden Ehe und liebevollen Familie aufrechtzuerhalten. Weder ihre Kinder noch Freunde oder Familienmitglieder sollten sehen, dass vieles im Argen lag und sie tief unglücklich war. „Ich dachte, alle Familien haben Probleme und ich muss mich zusammenreißen und mit unseren klarkommen“,
erzählt sie. „Mein jüngerer Sohn war damals fünf Jahre alt, als er mich einmal auf dem Weg zum Kindergarten fragte, warum Papa nicht fröhlich sein könne und ob es wegen uns wäre, ob wir ihn stören würden. Da wurde mir klar, dass ich auf dem falschen Weg war, und dass nicht nur ich, sondern vor allem meine Kinder an der ganzen Situation leiden.“

Susanne Hoffmann stellte ihren Mann vor die Wahl: Paartherapie oder Trennung. Ihr Mann weigerte sich. Es folgte eine schwierige, zeitintensive und kostspielige Trennung, die mehrere Jahre dauerte. Nach der Scheidung nahm Susanne Hoffmann wieder ihren Mädchennamen an. „Als ich dieses Papier mit meinem Namen, mit meinem Ich, in meinen Händen hielt, habe ich mich stolz und ja, auch mächtig
gefühlt. Ich hatte Nein gesagt. Nein zu einem unglücklichen, lieblosen Leben für mich und für meine Kinder. Natürlich war das nicht einfach, und es ist mir nicht leichtgefallen. Deshalb bedeutet Macht für mich, schwierige Wege zu gehen und bis zum Ende durchzuhalten.“

Für andere da sein: Mariele Weber, 74

Sich engagieren und für jemanden da sein: Viele Frauenbundfrauen fühlen sich in der Gemeinschaft mächtig.

Mariele Weber ist stellvertretende Vorsitzende im KDFB-Zweigverein Grafenau. Die 74-Jährige hat zwei erwachsene Söhne und drei Enkeltöchter. Sie lebt zusammen mit ihrem Ehemann in ihrem Elternhaus in Liebersberg.

Auf ihr bisheriges Leben zurückblickend, ist sie in erster Linie sehr dankbar für ihre Familie. „Meine Söhne sind gesund, selbstständig und haben eigene Familien gegründet. Dass ich ihnen eine schöne, glückliche Kindheit und Jugend ermöglichen konnte, macht mich auch ein wenig stolz,“ sagt sie.

Damals habe ihre Mutter ihr sehr geholfen und sich um die beiden Jungs gekümmert, während Mariele Weber arbeiten musste. „Als meine Mutter später an Demenz erkrankte, habe ich sie zu Hause gepflegt und konnte ihr dadurch etwas zurückgeben und mich um sie kümmern, so wie sie sich um mich und meine Kinder gekümmert hatte.“

Seit über 42 Jahren ist Mariele Weber im Frauenbund aktiv, auch ihre Schwiegertochter ist einem Zweigverein beigetreten. Erste Kontakte zum Frauenbund hat auch schon Enkelin Melina-Valentina geknüpft: Die Zwölfjährige hat dieses Jahr an einem ökumenischen Gottesdienst anlässlich des Weltgebetstags teilgenommen. „Der Frauenbund hat mir stets so viel Kraft gegeben durch die gemeinsamen Veranstaltungen, Gottesdienste oder auch Ausflüge. Sich mit anderen Frauen auszutauschen, abzuschalten vom Alltag, das hat mir immer sehr gutgetan“, sagt Mariele Weber. „Es macht mich sehr glücklich, dass das durch meine
Schwiegertochter und irgendwann vielleicht auch durch meine Enkelin weiterlebt.“

Mächtig fühlt sich die stellvertretende Vorsitzende, wenn sie gemeinsam mit den anderen Frauenbundfrauen etwas Gutes tun kann. „Das sind zunächst kleine Schritte und kleine Dinge, die aber Großes bewirken. Wir binden zum Beispiel schöne Kränze, die wir auf einem Basar verkaufen. Das Geld spenden wir dann an die Tafel oder an ein Behindertenheim und helfen damit anderen Menschen. Macht ist also für mich, wenn ich selbst etwas zustande bringe, mich für etwas einsetze, das mir wichtig ist, und wenn ich dadurch für jemanden da sein kann, der meine Hilfe braucht.“

  • Frauen an die Macht: KDFB-Seminare und Workshops

    Mut zur Macht – macht mir Mut
    Auftankwochenende mit Andrea Stocklassa,
    Fr, 28. Juli, 17.30 Uhr bis So, 30. Juli, 13.00 Uhr
    Bildungshäuser Vierzehnheiligen, Bad Staffelstein

    Macht.Frauen.Stark. Auf die Plätze, MUTIG, los!
    Regionaler Bildungsabend Region Würzburg Nord
    20. September 2023, 19.30 Uhr
    Pfarrheim Helmstadt

    „Mütter, macht euch stark!“
    Wochenendseminar
    Fr., 22.09.2023 bis So., 24.09.2023
    Turnerjugendheim, Turnerweg 60, 76855 Annweiler

    Passend zum Schwerpunktthema „Macht.Frauen.Stark“ finden viele weitere KDFB-Seminare und Kurse in Ihrer Nähe statt – am besten gleich mal nachschauen und
    mitmachen!

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Autorin: Andrea Bala

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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