Menü

Können Maschinen denken?

Alle Bilder dieser Geschichte sind mit künstlicher Intelligenz erstellt. Der Bildgenerator DALL-E kreiert je nach Wunsch jedes beliebige Motiv. Zum Beispiel eine Frau mit Roboter im Stil des Malers Gerhard Richter.

28.03.2023

Sobald das Handy angeht, ist sie da: die künstliche Intelligenz. Längst gehört sie zum Alltag dazu, wenn auch meist versteckt. Sie verschlingt Unmengen an Daten. Jeder, der das Internet nutzt, versorgt sie damit. Dabei ahmt sie den Menschen nach, wird schlauer und immer präsenter.

Während des Frühstücks checkt Susanne ihre E-Mails und nutzt eine KI-basierte Spam-Erkennung, um unerwünschte Nachrichten automatisch zu filtern. Auf dem Weg zur Arbeit hilft ihr eine Navigations-App, um den besten Weg zu ihrem Ziel zu berechnen. Mittags liest Susanne eine Nachrichten-App, die personalisierte Empfehlungen für Artikel, basierend auf ihren Interessen, gibt. Nach Feierabend trainiert sie mit einer Fitness-App, die ihre Fortschritte im personalisierten Trainingsplan automatisch anzeigt. Bevor Susanne ins Bett geht, nutzt sie eine Smart-Home-Steuerung, um das Licht und die Temperatur im Haus anzupassen und für eine angenehme Nachtruhe zu sorgen.“ So beschreibt die bayerische Digitalministerin und KDFB-Frau Judith Gerlach den täglichen Kontakt einer jungen Frau mit künstlicher Intelligenz (KI).
Niemand ist heutzutage überrascht, wenn Kameras Gesichter erkennen und Handys entsperren, oder wenn Lautsprecher auf Befehl die Lieblingsmusik spielen. Künstliche Intelligenz sei inzwischen in sehr vielen Bereichen anzutreffen, in manchen sei es uns gar nicht bewusst, sagt Gerlach. Etwa bei der Rechtschreibprüfung in Textverarbeitungsprogrammen oder bei Filtern in sozialen Netzwerken, die Pornografie und Gewaltdarstellungen fernhalten. Was ist das für eine Macht, die zunehmend den Alltag durchdringt?

Im Gespräch mit dem Roboter

„Künstliche Intelligenz ist eine Art von Computertechnologie, die entwickelt wurde, um das Denken und die Entscheidungsfindung von Menschen zu imitieren. Es gibt verschiedene Arten von KI, von einfachen Algorithmen, die spezifische Aufgaben ausführen können, bis hin zu komplexeren Systemen, die lernen und sich an neue Situationen anpassen können. Einer der Hauptvorteile von KI ist ihre Fähigkeit, große Mengen von Daten schnell und genau zu verarbeiten. Dadurch kann sie Entscheidungen und Vorhersagen treffen, die auf komplexen Mustern und Trends basieren, die für Menschen schwer zu erkennen sind.“
Haben Sie es gemerkt? Den letzten Abschnitt, den Sie gerade gelesen haben, hat ein Computer geschrieben. Es ist die Antwort einer sogenannten künstlichen Intelligenz auf die Eingabe „Erkläre künstliche Intelligenz in einfachen Worten“. ChatGPT heißt das neu entwickelte Computerprogramm, das gefühlt jede Frage beantwortet. Das US-Unternehmen OpenAI hat im November letzten Jahres das Sprachmodell veröffentlicht. Nur zwei Monate nach dem Start hatten sich bereits 100 Millionen Nutzer*innen registriert. Der Textgenerator, ein Chatbot, lernt und imitiert die Struktur und Regeln von Sprache. Er merkt sich, welches Wort in welchem Zusammenhang verwendet wird, und setzt es richtig ein. Durch das Training an Textdaten kann er immer realistischere und komplexere Konversationen imitieren.
„Wichtig ist, dass die neue Errungenschaft für alle nutzbar und frei zugänglich ist“, sagt Jochen Weisser, Jurist beim Verbraucherservice Bayern. „Ich selbst mache viel mit
ChatGPT und nutze ihn auch für die Arbeit“, so Weisser. Mit dem neuen Sprachmodell wird künstliche Intelligenz für jeden greifbar. Einfach auf der Webseite chat.openai.com anmelden und eine Frage eintippen, und schon kommt die Antwort. Sei es eine Einkaufsliste mit Lebensmitteln, die für drei Tage reichen, eine Checkliste für die Gartenparty oder eine Gute-Nacht-Geschichte für Kinder.

Vorgetäuschte Fakten

Braucht es bald keine Schriftsteller*innen und Journalist*innen mehr? Verfassen künftig Computer die Arbeiten der Schüler*innen und Student*innen? So weit ist es noch nicht. Das neu entwickelte Sprachmodell kann Menschen unterstützen, aber nicht ersetzen. Es gibt Mankos: So ist der Chatbot nur mit Daten bis 2021 gefüttert worden. Aktuelle Themen wie der Krieg in der Ukraine sind nicht abrufbar. Außerdem fehlen Quellennachweise für die Antworten. Es kann vorkommen, dass ChatGPT falsche Fakten in den Antworten präsentiert – und das mit großer Sprachgewandtheit. Ganze Forschungsarbeiten sind manchmal frei erfunden. Das liegt daran, dass die Antworten auf statistischer Wahrscheinlichkeit basieren und nicht auf Verständnis. Hauptsache es klingt plausibel. „Denn die KI ist nicht intelligent im eigentlichen Sinne. KI kann nur menschliches Verhalten imitieren, aber sie denkt nicht wirklich nach“, sagt Gerlach. Wahrheitsgehalt und Sinnhaftigkeit sind nicht die wichtigsten Kriterien.
Dennoch wirkt der neue Chatbot dabei sehr menschlich. Das macht ihn so besonders. Es ist die erste Software, die den sogenannten Turing-Test bestanden hat, den der Mathematiker Alan Turing 1950 als Standard für künstliche Intelligenz erfunden hat. Der Test lässt einen Menschen in einem Gespräch gegen eine Maschine antreten. Wenn die Maschine dem Menschen vortäuschen kann, dass sie auch ein Mensch ist, dann hat sie den Test bestanden. ChatGPT wurde nicht als Maschine erkannt. „Als künstliche Intelligenz ist ChatGPT eine Software und keine Person. Chat- GPT ist ein virtueller Assistent, der Text versteht und generiert und verwendet, um menschenähnliche Interaktionen zu simulieren und Fragen zu beantworten“, sagt das Programm auf Anfrage über sich selbst.

Wer sich wann verliebt

Um menschliche Intelligenz zu imitieren, wertet KI massenhaft Daten aus, findet dort Muster und leitet daraus Handlungen ab. Meist wirkt sie im Hintergrund, etwa beim Plaudern mit dem Sprachassistenten Siri oder beim Online-shopping. Ob Amazon, Google, Facebook oder Apple – alle digitalen Großkonzerne sammeln Verbraucherdaten und werten sie mithilfe von künstlicher Intelligenz aus. Sie analysieren Kaufverhalten und Online-Aktivitäten, zeichnen Kundenbedürfnisse auf, erstellen Nutzerprofile und versenden dann personalisierte Werbung.
Anna kauft beispielsweise einen Badeanzug im Internet. Als sie etwas später eine Zugverbindung recherchiert, wird ihr dort Werbung für Badeanzüge angezeigt. Dafür wurde Anna von Google mit einer Art Sender versehen, der ihr auf andere Webseiten folgt. Google kennt alle ihre Nutzerdaten: den Suchverlauf, welche Browser und Geräte sie verwendet, welche Sprachkommandos sie gibt. Dank Google Maps, Navigation und Standort weiß Google sogar, wo sich Anna bewegt. So kann das Unternehmen gezielt Werbung aussenden. Anna bekommt Produkte angezeigt, für die sie sich in der Vergangenheit im Internet interessiert hat.
Künstliche Intelligenz kann sogar vorhersagen, was Anna kaufen will – bevor sie es selbst weiß. Frauen, die beispielsweise einen Schwangerschaftstest online kaufen, bekommen neun Monate später Werbung für Babywindeln angezeigt. Eine KI erkennt bei der Datenauswertung das Muster, dass Käufer*innen von Schwangerschaftstests später Windeln kaufen, und leitet daraus eine Empfehlung ab. Oder Facebook: Der Social-Media-Dienst kann vorhersagen, ob sich jemand binnen 90 Tagen verliebt. Und zwar basierend auf Daten zu den Statusangaben „ledig“ oder „in Beziehung“ und der Frequenz von Chats mit derselben Person.
Mit persönlichen Nutzerdaten arbeiten auch Streaming-Plattformen. Netflix, Spotify oder Amazon Prime Video füttern damit ihre Algorithmen. Wer zuletzt eine Oper auf Spotify gehört hat, bekommt weitere Opernempfehlungen. Es werden automatisch Playlists generiert, die auf den jeweiligen Vorlieben basieren. Videoplattformen wie Netflix nutzen die Daten außerdem, um bei ihren Filmproduktionen vorherzusehen, welche Titel in welchen Märkten gut laufen werden.

Ist KI männlich?

„Durch den Einsatz von Sprachassistenten wie Siri oder Alexa können Frauen einfacher und schneller Aufgaben erledigen, wie beispielsweise den Einkaufszettel erstellen oder den Terminkalender organisieren.“ So lautet die Antwort des Chatbots ChatGPT auf die Frage nach Vorteilen von künstlicher Intelligenz für Frauen. Die Antwort zeigt: Künstliche Intelligenz kann Geschlechterstereotypen und Vorurteile reproduzieren und gesellschaftliche Ungleichverhältnisse verstärken, wenn die verwendeten Daten nicht vielfältig genug sind oder Vorurteile widerspiegeln. Die Vorurteile zeigen sich schon in der Rollenzuweisung: Warum sind die meistgenutzten Sprachassistenten Siri und Alexa weiblich? Für eine Antwort genügt es, sich die Tech-Branche anzusehen. Die Entwicklerteams im IT-Sektor sind sehr homogen, vor allem weiß und männlich, nur gut 20 Prozent Frauen
arbeiten weltweit laut Wirtschaftsmagazin Forbes im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz, in Deutschland sind es rund 16 Prozent.

Die Norm ist der weiße Mann

„Wir haben definitiv ein Problem mit dem großen Gender Gap in der IT generell und der künstlichen Intelligenz im Besonderen. Wenn Menschen zusammenkommen, die sehr ähnlich sind, dann werden sie gewisse Fragen nicht stellen, gewisse Risiken nicht sehen und gewisse Ziele nicht verfolgen. Das sehen wir auch in der KI“, sagt Eva Gengler, Doktorandin für feministische KI, Geschäftsführerin FemAI – Center for Feminist Artificial Intelligence, Vorständin Erfolgsfaktor Frau und Mitgründerin der IT-Beratung enableyou. Die Norm ist der weiße Mann. Auch die Manager in Firmen, die entscheiden, wo künstliche Intelligenz eingesetzt wird, seien überwiegend männlich. „Das ist ein Problem, da Frauen deshalb nicht die Dienstleistungen bekommen, die sie vielleicht brauchen würden“, so Gengler. Lange bot zum Beispiel keine einzige Gesundheits-App Funktionen für die Menstruation an. Hinzu kommen die Daten. Gengler verweist auf eine große Geschlechter-Datenlücke, in vielen Bereichen fehlen Daten für Frauen oder sind falsch.

Frauen im Nachteil

Zum Beispiel in KI-gesteuerten Bewerbungsverfahren: So hat Amazon Bewerbungen mittels künstlicher Intelligenz vorfiltern lassen. Bewerbungen von Frauen wurden aussortiert, da der KI die bestehende – weitgehend männliche – Belegschaft als Muster zugrunde lag. Bei der Berechnung von Kreditwürdigkeit mittels künstlicher Intelligenz für seine Kreditkarte hat Apple Frauen einen niedrigeren Kreditrahmen einräumen lassen als Männern. Die Spracherkennungssoftware von Google erkennt männliche Stimmen mit 70 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als weibliche. Die Foto-App Lensa, die aus persönlichen Fotos künstlerische Porträts kreiert, erstellt stark sexualisierte Bilder mit Fokus auf Brüsten oder halb nackten Darstellungen. Die App ist mit Internetinhalten trainiert. „Unsere Gesellschaft ist sexistisch, patriarchalisch und rassistisch. Diese Strukturen und Denkmuster sitzen tief und beeinflussen, wo wir KI einsetzen, mit welchen Zielen und wen wir dabei vergessen“, sagt Gengler. Künstliche Intelligenz könne systematisch, unsichtbar und in großem Stil Menschen diskriminieren. Daten seien oft unvollständig, gewisse Teile der Bevölkerung fehlten oder menschliche Vorurteile steckten in den Daten. Das kann auch rassistische Folgen haben. So erkennt Gesichtserkennungssoftware dunkelhäutige Gesichtern schlechter. KI könne aber auch eine Chance sein, die Gesellschaft nachhaltig zum Besseren zu verändern, wenn mit diversen Daten trainiert wird. Gengler fordert deshalb eine feministische künstliche Intelligenz, die diskriminierte Menschen in den Fokus rückt.

Frau mit Handy im Stil des Malers Edward Hopper: ein Bild, erstellt durch die künstliche Intelligenz DALL-E

Der gläserne Mensch

Wie problematisch das Datensammeln ist, bringt der Philosoph Alexander Kluge in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt: „Die digitalen Großmächte sehen, was uns bewegt, noch ehe es uns selbst einfällt. Sie saugen es ab und stellen es uns als Ding gegenüber.“
Tatsächlich finden knapp 60 Prozent der Bevölkerung, dass die Marktmacht digitaler Großkonzerne zu groß ist, so eine aktuelle Umfrage des Bundesverbraucherschutzministeriums. Jede*r Zweite wünscht sich eine verbraucherfreundlichere Möglichkeit der Datenschutzeinstellungen. Dagegen sind 41 Prozent der Befragten bereit, persönliche Daten preiszugeben, wenn sie so bestimmte Angebote besser nutzen können. Daten sind also das neue Öl. Ohne sie kann es keine künstliche Intelligenz geben. Alles, was messbar oder erfassbar ist, zählt. Angefangen bei Datenbanken, Suchmaschinen, sozialen Netzwerken, Sensoren, Kameras, GPS und Bewegungsprofilen, Kundendaten und schließlich Daten aus der Forschung. „Mit unseren Smartphones, unserem Suchverhalten, unserer Standorthistorie und den Textnachrichten, die wir jeden Tag verfassen, sammeln wir täglich fleißig Daten für die großen Unternehmen ein. Wir hinterlassen überall Daten, diese sind für die Unternehmen sehr wertvoll, und häufig sind sie das eigentliche Businessmodell. Wir können Apps und Services kostenlos konsumieren, dafür geben wir unsere Daten her“, sagt Eva Gengler, Doktorandin für feministische KI und Vorständin des Vereins Erfolgsfaktor Frau.
Zwar müssen die Nutzer*innen meist einwilligen, wenn personenbezogene Daten von ihnen verwendet werden. Aber in der Praxis gebe es oft Grauzonen bei der Weitergabe von Kundendaten im Internet, sagt Jurist Weisser. Das geschieht über Cookies – kleine Dateien, die lokal auf dem Rechner oder Handy abgespeichert werden. Sie speichern personenbezogene Informationen, die dann auch über andere Webseiten ausgelesen werden können. Die Einwilligung für Cookies ist oft psychologisch manipulativ gestaltet, sodass die Felder für Zustimmung grün und sichtbar, während die Ablehnung grau und unscheinbar angezeigt ist oder extra konfiguriert werden muss. Weisser empfiehlt, Cookies generell abzulehnen und im Browser einzustellen, dass Cookies gelöscht werden.
Die Datenverwertung durch künstliche Intelligenz kann Angst machen. Wie gläsern möchte der Mensch sein? „Jedes Modell ist nur so gut wie die Daten, mit denen es trainiert wurde. Man muss sehr gut aufpassen, welche Daten man der KI als Input gibt“, warnt Ministerin Gerlach.

Wie Maschinen lernen

Künstliche Intelligenz kann aber auch ein Segen sein, etwa in der Medizin. Beispielsweise analysiert eine darauf
trainierte Bild-KI Mammografien und sucht nach Anzeichen für Brustkrebs. Es gibt Studien mit ChatGPT, um Alzheimer im frühen Stadium zu erkennen. Der Chatbot identifiziert Hinweise wie Sprachstörungen, die Demenz vorhersagen.
KI kann sogar helfen, Leben zu retten. Zum Beispiel im Schwimmbad: Das Münchner Südbad prüft den Einsatz für den Notfall. Kameras überwachen das Becken, ein Computer wertet die Bilder aus und sendet einen Alarm auf die Smartwatches der Bademeister. Reglos im Wasser treiben, über 20 Sekunden unter Wasser bleiben, ungewöhnliche Bewegungen machen: Das sind Signale, die einen Alarm auslösen. Am Anfang hat es häufig Fehlalarm gegeben, doch die KI lernt dazu. Über ihre Uhren geben die Bademeister dem System Feedback. Mit einem Like- oder Dislike-Button melden sie, ob es sich um einen Fehlalarm handelt oder nicht. Inzwischen löst das System nun keinen Alarm mehr aus, wenn eine Schwimmerin sich zu lange auf dem Rücken entspannt. „So wie Menschen lernen, können auch Computer lernen und besser werden. Aber sie brauchen immer noch die Hilfe von Menschen, die ihnen sagen, was sie tun sollen“, resümiert Ministerin Gerlach.

Digitale Transformation aus Sicht des KDFB

Warum KI fördern, Frau Gerlach?

Bayerns Digitalministerin und KDFB-Frau
Judith Gerlach über künstliche Intelligenz.

Frau Gerlach, künstliche Intelligenz ist Schwerpunktthema Ihres Ministeriums. Was macht KI so wichtig?
Künstliche Intelligenz ist da besonders stark, wo große Datenmengen und komplexe Prozesse zusammenkommen – und das ist tatsächlich bei vielen Herausforderungen unserer Zeit der Fall. Ich denke beispielsweise an die Optimierung unserer Energiesysteme oder die Vorhersage von Wetterereignissen wie Flut und Dürre. KI kann auch Prozesse und Aufgaben automatisieren, was Zeit und Kosten spart – und angesichts des Fachkräftemangels umso wertvoller ist. Außerdem – das sehen wir gerade bei ChatGPT – unterstützt sie die Menschen dabei, sich selbst zu entfalten. Sei es beim Schreiben eines Gedichts, beim Programmieren eines Spiels oder dem Erzeugen eines Bilds.

Und was ist die Kehrseite?
Ich vergleiche das gerne mit einem Hammer. An sich ein nützliches Werkzeug, aber mit den falschen Absichten auch gefährlich. Das ist mir in der
Debatte wichtig zu erwähnen. Zu schnell werden sonst Horrorszenarien entwickelt, die mit der Realität nichts zu tun haben. Ein Beispiel: Der Einsatz von Robotern in der Pflege ist sinnvoll, das heißt aber nicht, dass jetzt nur noch Roboter in Seniorenheimen eingesetzt werden. Das will niemand. Wenn wir uns bei einigen Aufgaben aber von Robotern unterstützen lassen, dann haben die Pflegekräfte, die wir ja auch händeringend suchen, mehr Zeit für das eigentlich Menschliche. Wir haben schließlich die Freiheit zu entscheiden, wo wir künstliche Intelligenz einsetzen und wo eben nicht.

In welchen Bereichen fördern Sie die Entwicklung besonders?
Mir ist wichtig, dass wir den starken Mittelstand in Bayern beim konkreten Einsatz von KI unterstützen. Wir arbeiten im Rahmen unseres Pilotprogramms „KI-Transfer Plus“ beispielsweise mit einem Landmaschinenhersteller zusammen, dessen Maschinen dank künstlicher Intelligenz punktgenau erkennen, ob es sich auf dem Acker um die angebaute Pflanze oder um Unkraut handelt. So lassen sich Pestizide sparsamer und zielgenauer einsetzen. Ein anderes Beispiel ist ein Unternehmen für 3D-Druck, das viele kleine Bauteilchen hat, die sich nur minimal unterscheiden. Mit KI können diese schnell und effizient sortiert werden. Das hat früher ein Mensch gemacht – und nein, der hat nicht seinen Job verloren. Es gibt heute auf dem Arbeitsmarkt niemanden mehr, der diese Aufgaben übernehmen will.

Jedes Modell ist nur so gut wie die Daten, mit denen es gefüttert wurde. Das birgt doch Gefahren der Diskriminierung?
Es kommt darauf an, genau zu kontrollieren, mit welchen Daten eine KI trainiert wird. Das ist auch ein Vorteil: Bei künstlicher Intelligenz lässt sich unbewusste Diskriminierung besser steuern als im menschlichen Miteinander, wo dies oft aufgrund unbewusster und erlernter Muster geschieht und deshalb schwerer nachzuvollziehen und zu beheben ist. KI gibt uns also die Chance, Diskriminierungen, wie sie im menschlichen Alltag geschehen, zu überwinden, wenn wir das richtig anstellen. Mir ist deshalb Diversität in allen Bereichen der Technologieentwicklung wichtig. Ich habe dazu auch ein eigenes Programm ins Leben gerufen, um mehr Frauen für Tech-Berufe zu begeistern. Mit „BayFiD – Bayerns Frauen in Digitalberufen“ vernetzen wir gezielt die Teilnehmer*innen mit Expert*innen sowie relevanten Akteur*innen aus der Digitalbranche und stellen mögliche Berufsfelder vor.

 

 

 

Intelligente Technik im Alltag

Sprachassistenten
„Alexa, spiel ein Geburtstagslied!“, ruft Anna. Und schon tönt „Wie schön, dass du geboren bist“ durch die Küche. Alexa, der smarte Lautsprecher des Onlinehändlers Amazon, spielt dank KI Musik ab, erstellt Einkaufslisten, spricht über das Wetter, liefert Sportergebnisse und Nachrichten und steuert das Smart Home. Auch die meisten Smartphones
haben Sprachassistenten wie Siri oder Bixby, die über Spracheingabe Informationen liefern. Dazu nimmt beispielsweise Apples Siri auf, was gesprochen wird, schickt das Gesagte in die Apple iCloud, dort wird es analysiert und das Ergebnis zurück auf das Gerät geschickt.

Bild- und Gesichtserkennung
Ein Blick auf das Handy genügt und das Gerät gibt den Bildschirm frei – egal wie die Frisur sitzt. Das liegt an Algorithmen zur Gesichtserkennung, die sich mit jedem Blick in die Kamera verbessern und die Display-Sperre aufheben. Das funktioniert sogar bei Tieren: Die Firma Rentokil in England filmt Ratten, und eine KI unterscheidet die unterschiedlichen Exemplare. So können die Kammerjäger das Verhalten der einzelnen Tiere nachvollziehen und die Schädlinge besser bekämpfen.
Gesundheits- und Fitness-Tracking-Apps
„Mist, 200 Schritte zu wenig heute“, denkt Maria, als sie auf ihre digitale Fitness-Armbanduhr blickt. Die sogenannten Smartwatches messen die Daten der Trägerin, eine KI wertet sie aus und kann so vor einem drohenden Herzinfarkt warnen. Marias Daten werden dazu mit den Daten anderer Träger*innen verglichen. So kann die KI Muster erkennen und ausrechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts oder Schlaganfalles ist. Besonders im Gesundheitssektor ist aber der Datenfluss sensibel. Kämen persönliche Daten an die Krankenkassen, könnten diese so ihre Tarife individualisieren – ein Schreckensszenario.

Pflegeroboter
„Wie geht es Ihrem Enkel?“, fragt Navel Hannah im Aufenthaltsraum des Pflegeheims. Hannah freut sich und erzählt, ihr Gegenüber antwortet.
Navel ist ein sozialer Pflegeroboter, der Heimbewohner mit Gesprächen aufheitert und so Depressionen und Demenz vorbeugen soll. Das Besondere: Navel merkt sich das Gesagte, sodass ein Dialog zustande kommt. Noch ist Navel ein Prototyp, der getestet wird. Bisher kommt KI erst ansatzweise bei der Pflege zum Einsatz. Einzelne Handlungen wie das Drehen von Patienten oder die Messung von Puls können Roboter aber bereits erledigen und so zur Entlastung der Pflegekräfte beitragen.

Smart-Home-Anwendungen
Die runde Schachtel auf dem Tisch piepst und dreht sich. Maria geht zum Tisch und nimmt sich ihre Tabletten aus dem geöffneten Fach. Der automatische Medikamentendosierer piepst, wenn Zeit zur Einnahme ist und gibt das jeweilige Medikament frei. Gerade für ältere Menschen kann künstliche Intelligenz den Alltag erleichtern. Seit vergangenem Jahr probt ein Versuchslabor in Hannover smartes Wohnen im Alter im Rahmen des Projekts „Digital souverän mit KI“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Moderne Technik soll selbstbestimmtes Wohnen erleichtern, vor allem für Menschen, die weniger mobil sind. Erprobte Hilfsmittel sind beispielsweise ein Putzroboter, der sich am Fenster festsaugt, ein Staubsaugerroboter, an der Decke befestigte Sturzsensoren, die bei Bedarf Alarm schlagen, ein Blindenstock, der mit GPS und Ultraschall-Sender um Hindernisse führt, oder eine automatische Abschaltvorrichtung am Herd. Auch die entspannende Beleuchtung, die angenehme Temperatur, die durch Sensoren reguliert wird, oder die Kaffeemaschine, die von selbst angeht, sowie die Markise, die eingefahren wird, wenn sich das Wetter verschlechtert, basieren auf KI. Selbst der Kühlschrank kann Einkaufslisten für fehlende
Lebensmittel erstellen und beim Supermarkt um die Ecke bestellen.

Autorin: Katrin Otto

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
© 2024 | KDFB engagiert