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„Ich möchte etwas zurückgeben“

Sabine Decker fotografiert Sternenkinder.

29.09.2022

Sabine Decker ist Fotografin. Die 42-Jährige fotografiert Sternenkinder –
Babys, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben. Damit hilft sie Eltern bei der Trauerarbeit.

Oft ist der Zeitpunkt des Fotografierens der erste Moment, in dem die Eltern ihr totes Baby sehen. „In so einer Extremsituation versuche ich, den Eltern das Gefühl zu geben, dass das ihr Kind ist und dass es wert ist, geliebt zu werden“, sagt Sabine Decker. Die gebürtige Starnbergerin fotografiert ehrenamtlich Sternenkinder.

Die Fotos sind für die Eltern eine große Hilfe bei der Trauerarbeit. Meist sind sie während des Fotografierens im Krankenhaus dabei, halten ihr Kind. „Wenn die Eltern da sind, spüre ich ihre Liebe. Ein Zusammenspiel aus Trauer und Miteinander entsteht. Das hilft auch mir“, erzählt Decker. Während des Fotografierens spricht sie nicht nur mit den Eltern, sondern auch mit dem Baby, bewundert seine Schönheit oder Ähnlichkeit mit den Eltern. Durch den selbstverständlichen Umgang mit dem toten Neugeborenen lege sich die Berührungsangst der Eltern, sagt sie.

Sternenkindfotografie hilft bei der Trauerbewältigung

Die Sternenkindfotografie sei so wichtig, weil sie anderen zeige, dass es das Kind gibt, dass es im Leben der Eltern seinen Platz hat. So bekomme die Trauer ihre Berechtigung auch vor anderen. Sabine Decker möchte, dass eine trauernde Mutter sagen kann: „Schau, das ist mein Kind, das ich so viele Wochen im Bauch hatte. Ich bin jetzt traurig und darf traurig sein.“ Das möchte sie ermöglichen. Doch woher nimmt sie selbst die Kraft, ein totes Kind zu fotografieren, die Trauer der Eltern auszuhalten? „Diese Stärke hatte ich schon immer“, sagt sie. Zwei einschneidende Erlebnisse haben die junge Frau geprägt. Als sie 18 Jahre alt war, starb ihr Vater an einer Nervenerkrankung. Mit Anfang 30 zog sie zu ihrer Freundin, die an Brustkrebs erkrankt war und begleitete sie im letzten halben Jahr ihres Lebens. „Natürlich habe ich damals viel geweint, aber ich habe auch gemerkt, dass ich ein Mensch bin, der so etwas wegstecken kann. Das bricht mich nicht“, erzählt Decker. „Das zu erleben, hat mich eher glücklich und zufrieden gemacht als traurig“, sagt sie. Die Erfahrung löste in ihr den Wunsch aus, trauernden Menschen zu helfen.
Die Arbeit hat auch ihren Blick auf das Leben verändert: „Ich bin noch dankbarer, dass es mir und meinen Kindern gut geht. Wenn man mit Extremsituationen konfrontiert wird, schätzt man das noch viel mehr. Deshalb hatte ich auch den Wunsch, etwas zurückzugeben und mich ehrenamtlich und sozial zu engagieren“, sagt Sabine Decker. „Aufgrund meiner Erfahrungen gestalte ich mein Leben bewusst so, dass es mich und die Menschen, die mich umgeben, glücklich macht. Ich versuche sehr, im Hier und Jetzt zu leben.“

Autorin: Katrin Otto

Als Trauerbegleiter*in unterstützen

Das Bildungswerk im KDFB-Landesverband bietet seit 1994 Schulungen zur Trauerbegleitung für Ehrenamtliche an. In diesem Jahr gibt es eine Fortbildung, die auch Kinder als Betroffene in den Blick nimmt. Termine und Informationen zu den Schulungen unter www.frauenbund-bayern.de/themen/trauerbegleitung. Denn gerade bei Sternenkindern sind oft Geschwisterkinder betroffen. Viele der in Trauerarbeit ausgebildeten Ehrenamtlichen arbeiten im Selbsthilfeverein „Verwaiste Eltern“. Die Stiftung „Dein
Sternenkind“ vermittelt gemeinsam mit Krankenhäusern die Fotograf*innen. Immerhin dürfen seit 2013 alle Sternenkinder bestattet werden. Zuvor waren Bestattungen von toten Föten, die unter 500 Gramm wiegen, rechtlich nicht möglich. Mitinitiator dieser Neuerung war der Hospizverein Regensburg, der Frauenbund hat mit Unterschriften unterstützt. 

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