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Hilfe in der Krise

02.12.2024

Nicole Mohr hat einen Beruf, in dem sie Krisen meistert. Als Familienpflegerin ist sie immer dann im Einsatz, wenn in einem Haushalt mit Kindern ein Notfall eintritt, wenn etwa eine Mutter durch Krankheit länger ausfällt.

Jedes Mal, wenn Nicole Mohr einen Einsatz antritt, steht sie vor einer neuen Herausforderung. Als Fachkraft der Familienpflegestation Olching bei München wird sie immer dann gerufen, wenn eine Familie mit schweren Belastungen kämpft: Die Mutter ist an Krebs erkrankt, muss plötzlich operiert werden oder während einer problematischen Schwangerschaft monatelang liegen.

Nicole Mohr weiß genau, was zu tun ist, wenn ein Haushalt aus den Fugen gerät, wenn Kinder oder ältere Familienangehörige versorgt werden müssen. Ihr Ziel ist es, für ein Stück Normalität in Extremsituationen zu sorgen. Sie kauft ein, kocht, liest den Kindern aus Büchern vor, geht mit ihnen auf den Spielplatz, kümmert sich um pflegebedürftige Familienmitglieder. Sie ist der ruhende Pol, wenn die Wellen hochschlagen. „Es ist schön zu sehen, wie die Familien in ihrem Stress schon nach dem ersten Treffen gelassener werden. Je mehr die Eltern mich akzeptieren und einfach machen lassen, desto mehr Freiraum gewinnen sie, sich auf die Situation einzustellen, um sie zu bewältigen. Das finde ich das Schönste, wenn sie merken, sie können sich auf meine Hilfe verlassen und sich auf sich selbst konzentrieren.“
Mit 34 Jahren hat Nicole Mohr schon mehr als ein Jahrzehnt Berufspraxis hinter sich. Wer wie sie Familien professionell helfen will, muss eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen und danach noch einmal zwei Jahre lang die Schulbank drücken. Nicole Mohr lernte zuerst Hotelfachfrau und absolvierte dann die Familienpflegeschule in Mittelfranken. Neben Hauswirtschaft standen dort Säuglings- und Krankenpflege sowie Pädagogik, Psychologie und vieles mehr auf dem Stundenplan.
Ihre Berufswahl hat Nicole Mohr nicht bereut, auch wenn ihr im Alltag viel Leid begegnet, beispielsweise wenn die Mutter, für die sie einspringt, stirbt. „Ich habe schon mehrere Todesfälle erlebt. Man kann in solchen Situationen nur konsequent seine Arbeit tun und für die Angehörigen da sein. Ich bin dann nicht nur die gute Fee, die den Haushalt am Laufen hält, sondern manchmal auch der Prellbock für die Kinder. Ich mache ihnen klar, ich bin da, auch wenn sie mich in ihrem Leid anschreien.“
Bisweilen kommt es vor, dass ein Einsatz länger nötig wäre, als es die Krankenkasse genehmigt. Zwar steht laut Gesetz einer Familie mit Kindern unter zwölf Jahren eine Unterstützung von bis zu 26 Wochen zu, doch manchmal reicht das nicht, etwa wenn eine Mutter an einer Depression leidet. „Auch wenn es während einer Schwangerschaft Komplikationen gibt, könnten manche Familien nach der Geburt durchaus noch Unterstützung gebrauchen. Genehmigt werden aber oft nur zwei bis drei Wochen“, sagt sie.
Auf jeden Fall wünscht sich Nicole Mohr, dass sich mehr junge Frauen für denselben Beruf wie sie entscheiden. Denn der Bedarf an Familienpflegerinnen ist groß, und der Nachwuchs fehlt. Mittlerweile sind die Familienpflegeschulen in Bayern geschlossen, Baden-Württemberg bietet noch eine Ausbildung an.

Text: Eva-Maria Gras

75 Jahre Erfahrung
Familienpflege hat im KDFB Bayern eine lange Tradition. Seit 1950 engagiert sich das Familienpflegewerk des KDFB für Familien in besonderen Belastungssituationen. 2025 feiert es sein 75-jähriges Bestehen. Die Familienpflegestation in Olching bei München – eine von 22 in Bayern – gibt es bereits seit einem halben Jahrhundert. Das Familienpflegewerk mit seiner Geschäftsstelle in München beschäftigt über 200 Fachkräfte und leistet jährlich rund 141000 Einsatzstunden in mehr als 1800 Familien. Damit ist das Familienpflegewerk des KDFB der größte Anbieter von Familienpflege in Bayern. Als gemeinnützige Gesellschaft ist die Organisation angewiesen auf Spenden und Zuschüsse. Mehr unter www.familienpflegewerk.de

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