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FREIHEIT IM GEPÄCK: Wie es Frauen verändert, allein zu reisen

29.07.2025

Allein zu reisen bedeutet für viele Frauen weit mehr, als nur ihre Abenteuerlust auszuleben. Es ist ein Schritt in die Eigenständigkeit ebenso wie eine Reise zu sich selbst. Ob Städtetour, Roadtrip im Camping-Bus oder eine Pilgerreise mit dem Rucksack: Die Möglichkeiten, die Welt solo zu entdecken, sind vielfältig.

 

Sie hatte es sich so schön vorgestellt: vier Wochen Sprachkurs in Kapstadt. Eine ganz andere Welt entdecken direkt nach dem Abitur, das war der Plan. Doch es kam erst mal ganz anders. Sara Glöckner hatte den Flug extra ein paar Tage früher gebucht, um die südafrikanische Metropole vor dem Kurs schon mal auf eigene Faust zu erkunden. Doch im Studentenwohnheim angekommen, stellte sie fest: „Ich traue mich nicht.“ Allein loszuziehen, fremde Menschen anzusprechen – das fiel der jungen Frau schwer. „Ich bin wirklich nur zu den Essenszeiten aus dem Zimmer gekommen. Das waren harte Tage für mich.“ Erst mit Beginn des Sprachkurses besserte sich die Situation, und die Reise wurde doch noch zu einer lohnenden Erfahrung.
Abschrecken lassen vom Allein-auf-Reisen-Gehen hat sich die ehemalige Grundschullehrerin davon glücklicherweise nicht. In den vergangenen 25 Jahren ist die heute 45-Jährige immer wieder aufgebrochen. Fuhr drei Monate mit dem VW-Bus bis ans Nordkap, hat die Kanaren beim Insel-Hopping entdeckt und war jahrelang an deutschen Schulen in Shanghai und Moskau tätig. „Wenn ich in späteren Jahren allein auf Reisen war, habe ich mich oft daran erinnert, dass ich damals durchgehalten habe. Diese Erfahrung hat mir immer wieder geholfen. Mir war stets klar, dass ich nicht auf jemanden warten wollte, um etwas von der Welt zu sehen“, erklärt die Kölnerin.
So wie sie denken mehr und mehr Frauen. Soloreisen sind zum Trend geworden, auf den sich auch die Reiseveranstalter in zunehmendem Maße einstellen. Laut der „Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen“ war 2023 mehr als jede*r zehnte Deutsche allein unterwegs – Tendenz steigend. Allein Urlaub zu machen, hat das Stigma von Katzentisch und Einsamkeit verloren. Egal ob man sich bewusst für eine Solo-Tour entscheidet oder einfach die passende Reisebegleitung fehlt − mittlerweile gilt es als selbstbestimmt und emanzipiert, wenn frau sich allein auf den Weg macht. Wer allein reist, muss seine Komfortzone immer wieder verlassen. Sich um alles selbst kümmern, Probleme eigenständig lösen. Wenn das gelungen ist, kommt man gestärkt zu Hause an und bewältigt auch im Alltag so manches leichter. Ein Gefühl, das mittlerweile viele Frauen für sich entdecken wollen.

Mut zum Aufbruch
Die Gründe für diesen Trend variieren laut einer Studie des „Zukunftsinstituts“ je nach Lebensphase der Frau. Junge Frauen möchten unabhängig werden und Erfahrungen sammeln. In der sogenannten Rush-Hour des Lebens zwischen Anfang 30 und Anfang 50, in der die wahrgenommene Stressbelastung ihren Höhepunkt erreicht, wird das Alleinreisen genutzt, um zu entschleunigen und sich zu belohnen. Gleichzeitig müssen Singles in dieser Phase feststellen, dass ehemalige Reisegefährt*innen wegen Familiengründung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Und ab etwa 50 beginnt für viele Frauen der „zweite Aufbruch“: Die Kinder sind aus dem Haus, Freiräume entstehen – nun ist es an der Zeit, sich lang gehegte Wünsche zu erfüllen. Manche Frauen sind alleinstehend oder verwitwet. Die Erfahrung, dass Frauen gerade diesen Lebensabschnitt nutzen, um Pläne zu verwirklichen nach dem Motto „jetzt bin ich mal dran“, macht auch Sara Glöckner immer wieder. „Vor Kurzem habe ich mit einer pensionierten Lehrerin gesprochen, die nun mehrere Wochen mit dem Zelt durch Alaska reisen möchte“, erzählt sie. „Es gibt viele Frauen, die aufbrechen und nicht länger warten möchten.“ Vor drei Jahren hat Sara Glöckner deshalb die Reiseplattform „The Female Traveller“ (https://thefemaletraveller.de/) mit vielen Tipps für allein reisende Frauen gegründet. „Ich wusste, dass Frauen häufig Fernweh und Reiselust verspüren, aber sich nicht allein zu reisen trauen. Das Angebot soll stärken und vernetzen.“ Bei einem monatlichen Online-Treffen kann man sich Rat holen zu Reiseländern, Regionen oder passenden Unterkünften. Besonders beliebt ist die Sparte „Reisebegleitung suchen“.
Auch Reiseveranstalter nehmen die Alleinreisenden zunehmend in den Blick. Es gibt ein breites Angebot an Gruppenreisen, das sich an Alleinreisende richtet. Ebenso finden sich Hotels, die keinen Einzelzimmerzuschlag mehr verlangen, wenn Solo-Reisende ein Doppelzimmer allein nutzen.
Sara Glöckner muss nicht lange überlegen, was das Alleinreisen für sie auszeichnet. „Es ist total schön, in meinem eigenen Tempo unterwegs zu sein. Mal keinen fragen zu müssen, den Tag einfach selbst zu gestalten, selbstbestimmt zu sein, Entscheidungen nur für sich zu treffen. Für mich bedeutet das Freiheit.“ Die Kehrseite, dass sie besondere schöne Momente, die man eigentlich gern mit lieben Menschen teilen möchte, dann eben allein erlebt, nimmt sie dafür in Kauf.

Wenn die Einsamkeit sich meldet
Und wenn sie sich unterwegs doch mal wieder einsam fühlt? Dafür hat sie längst ihre Strategien entwickelt. „Meist buche ich erst mal eine Stadtführung durch Einheimische, eine sogenannte „Free Walking Tour“. Da ist man gemeinsam unterwegs und kommt leicht ins Gespräch. Ansonsten suche ich mir einen schönen belebten Platz, zum Beispiel in einem Café, und nehme mir ein Buch mit. Dann habe ich schon mal das Gefühl, nicht allein zu sein. Auch bei der Unterkunft kann man von vorneherein überlegen, wo man als Alleinreisende am besten aufgehoben ist. Nach meiner Erfahrung sind große Hotels und Hotelketten schwieriger und anonymer für Alleinreisende. Je kleiner die Unterkunft ist, umso familiärer geht es zu. Wenn man im Frühstücksraum immer die gleichen Gesichter sieht, ist es viel einfacher, Kontakte zu knüpfen.“

Bewusst gewählt: Unterkunft zum Wohlfühlen
Auch Campingplätze findet die VW-Bus-Fahrerin sehr passend für Alleinreisende. „Auf meiner Tour zum Nordkap habe ich diese immer sehr gern angesteuert. Da wusste ich, abends wäre etwas Small Talk schön und dort findet man schnell Gesellschaft.“ In guter Erinnerung hat die Kölnerin eine Reise nach Norwegen, den Polarlichtern auf der Spur. „Ich habe mir damals sehr bewusst ein Zimmer über Airbnb bei einer Frau gebucht. Daraus ist eine Freundschaft entstanden, die immer noch Bestand hat.“ Anders und intensiver mit den Menschen vor Ort in Dialog zu treten, das macht das Alleinreisen für sie so besonders. „Zu zweit ist man selbst schon eine Einheit, ist nicht so auf die Einheimischen angewiesen.“ Auf Alleinreisende achten die Menschen mehr, ist ihre Erfahrung. „Sogar der Kellner im Restaurant kümmert sich intensiver um einen.“

Auf dem richtigen Weg: Pilgern, aber sicher
Eine besondere Form des Reisens hat Adelgunde Wolpert für sich entdeckt. Die KDFB-Frau aus der Diözese Würzburg ist seit Jahrzehnten eine begeisterte Pilgerin. Oft ist sie dabei allein unterwegs. Als sie vor 25 Jahren das erste Mal den spanischen Teil des Jakobswegs ging, gab es noch kein Navi. Sie musste ihren Weg selbst finden und sich mit Karten orientieren. Das hilft ihr immer noch, auch wenn das Smartphone die Reiseplanung nun deutlich erleichtert. Fahrkarten buchen, den Weg finden, Unterkünfte suchen, das Wetter beobachten und nicht zuletzt den Kontakt mit Familie oder Freunden halten: Das ist einfacher geworden von unterwegs und macht somit das Reisen gerade für Frauen angenehmer und sicherer. „Ich gebe jeden Tag durch, wie es mir geht und wo ich gerade bin“, erzählt die 69-Jährige.
Eine besondere Rolle spielen nach ihrer Erfahrung gerade für allein pilgernde Frauen Kirchen: „Sie sind Schutzraum und Anlaufpunkt zugleich. In der Schweiz hatten die Kirchen alles, was eine Pilgerin sucht. Eine Wasserstelle, eine Steckdose, eine Toilette. Man konnte dort durchatmen und die Kühle genießen. Ich habe mich jedes Mal gefreut.“
An einen Moment erinnert sie sich dabei besonders gern: „Als ich mich an einem richtig nassen Schlechtwettertag auf einem schlammigen Weg durch den Wald gekämpft habe, stieß ich auf eine Kirche. Ich öffnete die Tür, und drinnen war ein Orgelkonzert. Es hat sich angefühlt, als ob es nur für mich war. Diese Atmosphäre werde ich nie vergessen.“
Das Pilgern ist für Adelgunde Wolpert, die zwei Jahrzehnte lang die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Würzburg war, eine große Entdeckung, weil sie ihre Stärke dabei wieder neu finden kann. „Ich genieße die Stille und die Natur. Meine Sinne sind offen, und mein Blick für Natur und Landschaft ändert sich. Das Pilgern ist für mich eine spirituelle Erfahrung, ich erde mich in der Natur. Darüberhinaus begegne ich Menschen, die ich daheim so nicht treffen würde. Der Pilgerweg ist für mich auch ein Weg des Friedens und der Verständigung.“ Wenn sie mit Gruppen unterwegs ist, hat sie ein anderes Tempo. „Das gibt einem natürlich viel, aber es nimmt einem auch Momente der Müßigkeit: Muße haben, die Waldfarbe wahrnehmen, das Muster der Felder auf sich wirken lassen. Und dabei eben selbst entscheiden, wann man sich länger Zeit nimmt, sich umzublicken.“

Getragen von vielen Begegnungen
Eine Gewissheit hat Adelgunde Wolpert von ihren Reisen mitgenommen: „Ich kann mich auf mich verlassen. Ich finde eine Lösung.“ Bei ihrer Tour im letzten Jahr, einer Etappe des Jakobswegs in Frankreich, musste sie das erneut unter Beweis stellen. Der Hüftgurt ihres Rucksacks war gerissen, sodass das ganze Gewicht auf ihren Schultern lastete. „Ich musste einsehen, dass ich so nicht so weit kommen würde wie geplant.“ Sie kehrte einige Tage früher nach Hause zurück. „Fügung“, wie sie heute sagt. Denn zwei Tage nach ihrer Rückkehr hatte ihr Handy, das sie so dringend für die Reise braucht, einen Totalschaden.
Sich auf der Pilgerschaft austauschen zu können, empfindet sie als sehr bereichernd. Gerade Unterkünfte zu wählen, in denen man auf andere Pilgernde trifft, mit ihnen zu kochen, zu essen und zu sprechen – egal welcher Nationalität sie angehören − das sei ein beglückendes Erlebnis. Deshalb freut sie sich, dass bei der nächsten Etappe in Frankreich die Möglichkeit, in Pilgerunterkünften unterzukommen, zunimmt. Am Ende des Sommers wird sie dort weiterlaufen, wo sie letztes Jahr aufgehört hat.
„Ich könnte das nie“, „Das würde ich mich nicht trauen“ sind Reaktionen, die sie immer wieder bekommt, wenn sie von ihren Touren erzählt. Sie lacht und sagt: „Ich bin mit den Jahren immer gesünder geworden. Und ich habe viel Lebensfreude und Lebenskraft gewonnen.“ In all den Jahren sei ihr nie etwas zugestoßen. „Ich kenne auch keine Pilgerfrau, der etwas passiert ist und ich kenne viele“, betont sie. „Was brenzlige Situationen betrifft, bin ich ein großer Fan davon, auf mein Bauchgefühl zu hören. Ich bin mir sicher, dass Frauen dafür ein gutes Gespür haben: Fühlen, ob sie sich in einer Situation unwohl fühlen und diese gegebenenfalls zügig zu verlassen“, erläutert sie. Auch Sara Glöckner konnte sich immer auf ihr Bauchgefühl verlassen, wenn sie unterwegs war. „Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man in unangenehme Lagen als Frau genauso in Köln oder Berlin kommen kann. Das hat nicht unbedingt etwas mit der Reise zu tun. Wichtig ist, sich schnell aus der Situation zu entfernen.“ Listen, welche Länder für Frauen bedenkenlos zu bereisen sind, mag sie nicht herausgeben. „Dafür sind wir meines Erachtens zu individuell. Jede empfindet das anders. Aber gar keine Gedanken müssen sich Frauen in den nordischen Ländern wie Dänemark, Schweden und Norwegen machen. Dort lässt es sich sehr unbeschwert reisen.“ Wer sich dennoch eine Übersicht von geeigneten Ländern wünscht, kann sich mit dem „Tui Solo Female Travel Index“ (www.tui.com/solo-female-travel-index/) beschäftigen.
Eine gute Planung findet Sara Glöckner gerade bei Solo-Touren wichtig. „Ich informiere mich ausgiebig über mein Ziel. Ich lade vorher Apps herunter, mit denen man zum Beispiel die örtlichen Bustickets kaufen kann.“ Neustarterinnen rät sie, klein anzufangen. „Es muss nicht gleich eine große Rucksacktour sein. Erst mal ein Wochenende planen an einem Ort, an den man schon immer mal wollte. Dazu vielleicht ein Konzertticket oder eine Stadtführung buchen, dann muss man nicht alles spontan füllen. Wichtig ist auch, sich eine schöne Unterkunft auszusuchen, in die man abends gern zurückkehrt. Wenn das gut geklappt hat, kann man seine Reisepläne langsam ausdehnen.“ Sara Glöckner ist sicher: „Mit der Zeit weiß man, was man will. Man lernt sich selbst besser kennen und hat dann eine genaue Vorstellung, wie man seine Tage gestalten möchte.“

Claudia Klement-Rückel

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 130.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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