Frauen ins Zentrum der Macht

V.l.n.r.: Anja Weisgerber, Dorothee Bär, Emmi Zeulner, Rita Schwarzelühr-Sutter, Susanne Hierl
Der Frauenanteil im neuen Bundestag ist gesunken. Umso wichtiger, dass sich die Frauenbundfrauen im Parlament für Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Fünf Abgeordnete zu ihren Zielen.
Die Bundestagswahl hat zu Erschütterungen im Parteiengefüge geführt. Der hohe Anteil der Wähler*innen, die der rechtspopulistischen Partei AfD ihre Stimme gegeben haben, sorgt für Irritationen“, hieß es 2017 zur Bundestagswahl in der KDFB engagiert (Ausgabe 11/17). Fünf Jahre später hat sich die Lage weiter zugespitzt: Mit 21 Prozent zieht die AfD als zweitstärkste Kraft in den Bundestag ein – ein klarer Rechtsruck. Das gefährdet nicht nur demokratische Grundwerte, sondern auch die Geschlechtergerechtigkeit.
Im neuen Bundestag sitzen 204 Frauen – das entspricht nur 32,4 Prozent der Abgeordneten. Damit ist der Frauenanteil fast drei Prozent niedriger als in der vorherigen Legislaturperiode. Zum Vergleich: 52 Prozent der Bevölkerung sind Frauen. Der „typische“ Abgeordnete ist männlich, Mitte 40 und Jurist – und heißt mit Vornamen Michael, Thomas oder Stefan. International schneidet Deutschland damit schlecht ab: Länder wie Schweden, Spanien oder England liegen bei über 40 Prozent; auch Belgien, Frankreich oder Österreich erreichen bessere Werte – oft dank gesetzlicher Frauenquoten. Ruanda hat mit 64 Prozent den höchsten Anteil an Frauen im Parlament.
Warum sind so wenige Frauen im Bundestag?
Ein Grund: Die stärksten Parteien – CDU/CSU (23 Prozent) und AfD (12 Prozent) – haben besonders wenig Frauen in ihren Reihen. Den höchsten Frauenanteil haben die Grünen (61 Prozent), die Linke (56 Prozent) und dann die SPD mit 42 Prozent. Zudem trägt die Wahlrechtsreform zum Ungleichgewicht bei: Weniger Abgeordnete kommen über Listen ins Parlament, wodurch die männerdominierten Direktmandate aus den Wahlkreisen an Gewicht gewinnen – vor allem bei Union und AfD ist hier der Frauenanteil gering.
Und viele potenzielle weibliche Abgeordnete ziehen sich zurück – nicht zuletzt wegen des zunehmenden Hasses, gerade gegen Frauen in der Politik. Dorothee Bär (CSU) betont: „Hass im Netz sowie im realen Leben haben enorm zugenommen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es viele Frauen gibt, die sich und ihre Familien davor bewahren wollen. Diesem Hass müssen wir entgegentreten, damit sich künftig wieder mehr Frauen in der Politik engagieren.“
Auch strukturelle Hindernisse schrecken Frauen ab. Politik ist oft nicht familienkompatibel. Bär ergänzt: „Mein Mann ist ebenfalls voll berufstätig, doch ihm wird die Frage nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie nie gestellt. Leider spielt das Geschlecht auch heutzutage noch eine Rolle, auch in der Politik.“ Es brauche Regeln, damit auch das politische Ehrenamt attraktiver wird. Das beginne schon bei der Festlegung eines Termins für das Ende von Sitzungen. „Die politische Arbeit im Bundestag ist zeitintensiv, oft wenig planbar – Abendtermine, Wochenendarbeit und lange Sitzungen sind die Regel“, sagt Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD). Es sei nicht einfach und gelinge nur mit gutem Netzwerk und familiärer Rückendeckung. Politik müsse familienfreundlicher werden – nicht nur, um Eltern zu entlasten, sondern auch, um vielfältige Lebensentwürfe zu ermöglichen. Das sei auch eine Frage der Gerechtigkeit.
Die geringe Repräsentanz von Frauen hat Folgen. Anja Weisgerber (CSU) warnt: „In vielen Bereichen – sei es beim Umwelt- und Klimaschutz, in der Familienpolitik oder auch bei der Digitalisierung – ist die Perspektive von Frauen unverzichtbar. Weibliche Abgeordnete setzen oft andere Akzente und geben neue Impulse.“ Der KDFB kritisiert die Repräsentationslücke scharf und fordert: Gleichstellung muss erklärtes Ziel jeder Regierungspolitik sein (Beschluss Bundesausschuss 2025). Dazu gehört auch, dass bestehende Fortschritte wie das Selbstbestimmungsgesetz erhalten bleiben und keine Rückschritte in der rechtlichen Anerkennung von Geschlechtervielfalt und sexueller Selbstbestimmung erfolgen sowie entschlossenes Handeln gegen antifeministische und antidemokratische Strömungen. Rita Schwarzelühr-Sutter stellt klar: „Es ist jetzt umso wichtiger, dass wir Frauen uns gegenseitig stärken, besser vernetzen und sichtbar bleiben. Es braucht Mut, Solidarität und Ausdauer, damit Geschlechtergerechtigkeit weiterhin eine tragende Säule politischer Arbeit bleibt.“
KDFB-Frauen im Bundestag
Sieben Frauenbundfrauen sind ins Parlament eingezogen, darunter KDFB-Präsidentin Anja Karliczek (CDU) und Vizepräsidentin Martina Englhardt-Kopf (CSU), die zur Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium ernannt wurde. Weitere KDFB-Frauen im Bundestag sind Dorothee Bär (CSU), die in der neuen Regierung Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt ist, außerdem Susanne Hierl (CSU), Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Anja Weisgerber (CSU) und Emmi Zeulner (CSU).
Dorothee Bär, Wahlkreis Bad Kissingen, zu antifeministischen Strömungen
„Im Plenarsaal des Deutschen Bundestages sitze ich direkt neben den Abgeordneten der AfD. Sexistische Aussagen kamen nicht nur von den männlichen Abgeordneten, sondern teilweise gerade von den weiblichen. Aussagen, mit denen sie versuchen, uns beim Thema Gleichstellung um Jahrzehnte zurückzuwerfen. Der Ton im Deutschen Bundestag hat sich massiv verschärft. Diese Frauenfeindlichkeit zeichnet sich leider auch in der digitalen Welt ab. Dieser Entwicklung müssen wir entschieden entgegentreten. Maßgebend ist dabei das Thema Bildung. Gleichzeitig ist es eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir können so viele Gesetze verabschieden, wie wir wollen, wenn sich alte Denkmuster nicht ändern.“
Eine repräsentative Demokratie bedeutet, allen den gleichen Zugang zu politischen Ämtern zu ermöglichen, deshalb fordert der Frauenbund ein bundesweites Paritätsgesetz und Gleichstellungs-Checks für alle Gesetzesvorhaben.
Anja Weisgerber, Wahlkreis Schweinfurt-Kitzingen, zu Parität
„Demokratie lebt von Vielfalt, und diese muss sich in unseren Parlamenten und politischen Entscheidungsprozessen widerspiegeln. Ich persönlich setze mich auf mehreren Ebenen für mehr Parität ein: durch gezielte Förderung von Frauen, unter anderem durch das Mentoring-Programm der Frauen-Union. Ein Paritätsgesetz ist rechtlich schwierig umzusetzen. Dennoch ist es richtig und wichtig, darüber zu diskutieren, wie wir mehr Frauen in die Parlamente bringen können, auch innerhalb der Parteien. Dazu zählen transparente und geschlechtergerechte Listenaufstellungen oder eine bessere Vereinbarkeit von Mandat und Familie.“
Eine weitere Forderung im Beschluss des KDFB-Bundesausschusses ist die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen. Das heißt: gleiche Bezahlung, eine faire Verteilung der Sorgearbeit, bessere Pflegeinfrastruktur, eine Reform der Steuerklassen, des Ehegattensplittings und der Hinterbliebenenrente.
Susanne Hierl, Wahlkreis Amberg, zur Forderung finanzieller Unabhängigkeit
„Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen habe ich für die CSU federführend in der Arbeitsgruppe Familie, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie verhandelt. Im Hinblick auf einen Koalitionsvertrag haben wir verschiedene der Themen diskutiert und Lösungsansätze festgehalten. Wichtig ist, dass die Themen immer wieder angesprochen und sichtbar gemacht werden. Nur so kann eine Verbesserung erzielt werden.“
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet auch Gewaltschutz für Frauen. Der KDFB fordert Schutz für Frauen in Krisenregionen, die Einführung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder, Ausbau des Hilfesystems, entschiedenes Eintreten gegen jegliche Gewalt gegen Frauen von digitalen Angriffen bis zum Femizid.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Wahlkreis Baden-Württemberg, zu Gewaltschutz
„Im Innenministerium haben wir mit dem Gewalthilfegesetz einen entscheidenden Schritt gemacht: Frauen, die von Gewalt betroffen sind, haben jetzt bundesgesetzlich einen Anspruch auf Schutz und Beratung. Gleichzeitig setze ich mich weiter dafür ein, dass wir ein effektives Gewaltschutzgesetz mit elektronischer Fußfessel auf den Weg bringen. International kämpfe ich gegen sexualisierte Gewalt und für die Rechte von Frauen in Krisenregionen – etwa über UN-Gremien. Mein Ziel ist eine feministische Entwicklungspolitik, die vom christlichen Menschenbild getragen ist: Sie stärkt Frauen und Mädchen, schützt Menschenrechte und eröffnet echte Perspektiven – sozial, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Besonders wichtig ist mir, zivilgesellschaftliche Organisationen zu fördern und auch den privaten Sektor in die Verantwortung zu nehmen.“
Der Frauenbund setzt sich für geschlechtergerechte Gesundheit ein. Er fordert den Ausbau geschlechtsspezifischer Aufklärungsangebote, Forschung zu geschlechtersensibler Medizin und die Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden in der Gesundheitsversorgung sowie den Ausbau psychosozialer Beratungsstellen und Therapieplätze.
Emmi Zeulner, Wahlkreis Kulmbach, zu geschlechtersensibler Medizin
„Zum einen muss die Gesundheitskompetenz von klein auf gestärkt werden. Dafür sind flächendeckende Schulgesundheitsfachkräfte, aber auch Kooperationen vor Ort, wie etwa mit den Landfrauen, ein entscheidender Schlüssel. Zum anderen müssen Frauen wie Männer die bestmögliche gesundheitliche Versorgung erhalten – auch mit Blick auf ihre ganz eigenen Bedürfnisse und Lebensrealitäten. Bei den Frauen gilt das von der Gynäkologie bis zu Themen wie Endometriose oder den Wechseljahren. Zu einer umfassenden Unterstützung gehört der niedrigschwellige Ausbau psychosozialer Beratungsstellen und von Therapieplätzen vor Ort.“
Die Politik braucht mehr Frauen – nicht als Symbol, sondern für gerechte Entscheidungen. Geschlechtergerechtigkeit ist kein Randthema, sondern die Grundlage für eine starke Demokratie und soziale, wirtschaftliche Stabilität.
Autorin: Katrin Otto
Nachgefragt: So funktioniert parlamentarische Arbeit
Zwischen Heimatwahlkreis und Berlin pendelnd, ist der Alltag einer Abgeordneten eng getaktet und abwechslungsreich. „Es ist mir wichtig zuzuhören, zu verstehen, was Menschen bewegt – und diese Stimmen in meine Arbeit einfließen zu lassen“, sagt Rita Schwarzelühr-Sutter. Politik dürfe sich nie vom Leben der Menschen entfernen. „Die Woche beginnt mit der Fraktionsvorstandssitzung, den Gremiensitzungen der CSU-Landesgruppe und der Fraktion sowie der Vorbereitung der Ausschüsse. Ab Mittwochnachmittag steht dann das Plenum im Fokus“, berichtet Anja Weisgerber. Dazwischen finden Gespräche mit dem Team, Verbänden, Unternehmen, Journalisten, Kommunalvertretern oder Bürgerinnen und Bürger statt – ebenso die Vorbereitung der Plenarreden. In Regierungsverantwortung komme noch die Abstimmung mit dem Koalitionspartner über Gesetzgebungsvorhaben hinzu. Ein großer Teil der politischen Arbeit findet im direkten Austausch statt – in Gesprächen, die häufig der Ausgangspunkt für Initiativen und politische Impulse sind.
Frauen müssen sich häufig doppelt behaupten
Deshalb sei es wichtig, Frauen zu ermutigen, sich politisch einzubringen, sowohl in den Parteien als auch in den kommunalen Gremien und natürlich im Bundestag, betont Weisgerber. Frauen müssten sich häufig doppelt behaupten, als kompetent, durchsetzungsstark und gleichzeitig als authentisch und nahbar. „Und oft stehen wir dabei unter besonderer Beobachtung“, konstatiert sie. Umso wichtiger ist es, Gestaltungsspielräume aktiv zu nutzen. „In meiner Funktion kann ich Gesetzesinitiativen mitgestalten, Anträge einbringen und Debatten in Ausschüssen oder im Plenum mitprägen. Über Medienauftritte, Reden oder parlamentarische Anfragen lassen sich Themen setzen und Öffentlichkeit herstellen“, berichtet Schwarzelühr-Sutter.
Kommunalpolitik als Einstieg
Der Weg in den Bundestag ist oft steinig und gelingt meist nur mit der Unterstützung der Familie – darin sind sich die Abgeordneten einig. „Kommunalpolitik ist ein guter Einstieg und eine optimale Grundlage für ein politisches Mandat, um wertvolle Erfahrungen zu sammeln und ein Netzwerk aufzubauen“, ermutigt Susanne Hierl, die gleichzeitig als Gemeinderätin und stellvertretende Landrätin tätig ist. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen sei letztlich Grundvoraussetzung für einen handlungs-
fähigen demokratischen Staat.
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet soziale, wirtschaftliche und demokratische Stabilität, betont auch der KDFB. Engagierte Bürger*innen spielen eine wesentliche Rolle bei der Förderung von Gleichberechtigung, Toleranz und sozialer Integration. ko