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Die vernetzte Familie

Es zahlt sich aus, sich mit der modernen Technik zu beschäftigen. Foto: Bardehle

30.11.2018

Ich kann mich noch ganz genau an den Tag im Oktober 2009 erinnern. Wir saßen in Bochum zwischen gepackten Umzugskartons und mussten Abschied nehmen. Abschied von meinem ältesten Sohn, von meiner Schwiegertochter und von meinem fünf Wochen alten Enkel Phillip. Wie hatten wir uns gefreut, als sich endlich unser erstes Enkelkind ankündigte. Und nun brach die junge Familie auf nach Trondheim in Norwegen.

Sie waren gespannt, was sie dort erwarten würde – im Beruf und als Familie. Wir Großeltern blieben traurig zurück, weil wir die Entwicklung des kleinen Wesens nicht direkt miterleben würden. Nicht sein erstes Lächeln, seinen ersten Zahn, die ersten Gehversuche, die ersten Wörter. Würde Philipp irgendwann wissen, dass wir seine Großeltern sind? Würden wir ihm fremd bleiben? Können wir auf Distanz eine Beziehung aufbauen? 1.700 Kilometer liegen zwischen uns. Für mich mit meiner Flugangst eine nur schwer zu überwindende Entfernung.

Familiencloud macht es möglich: ein Ständchen auf dem Waldhorn

Mein Enkel Phillip ist heute neun Jahre alt. Er geht in Norwegen zur Schule, spricht Norwegisch und Deutsch, spielt im Schulorchester Waldhorn und ist begeisterter Fußballer. Wir wissen inzwischen, dass unsere Sorgen unbegründet waren. Es ist eine andere Beziehung als die zu meinen jüngeren Enkelkindern Ben und Ella, die eine Stunde von mir entfernt wohnen. Ich kann nicht einfach mal nach Norwegen fahren, wenn Phillip krank ist. Noch nicht mal zum Trost etwas schicken, weil Norwegen kein EU-Land ist und die Post eine Woche dauert, Päckchen sogar zwei bis drei Wochen. Ich kann nicht mit meinem Enkel kuscheln und ihm abends vorlesen. Kann nicht live dabei sein, wenn er bei einem Fußballturnier mitspielt. Aber unsere Beziehung ist deshalb nicht weniger innig.

Wir haben in unserer Familie einiges ausprobiert, um einander an unserem Alltag teilhaben zu lassen, und einen für alle guten Weg gefunden: Jedes Familienmitglied ist mit einem internetfähigen Tablet ausgestattet. Auch meine 85-jährige Mutter. Wir haben eine Familiencloud eingerichtet, einen Speicherort, auf den jeder von uns Bilder und kurze Videos hochladen kann. Die sind dann für die gesamte Familie sichtbar und werden fleißig kommentiert. Anders als beim Skypen kann man sich die Bilder und Filme im?mer wieder anschauen. Die stolze Uroma zeigt die Bilder so oft rum, dass sich ihre kinderlose Freundin schon fast selbst als Großmutter meiner Enkel fühlt. Und habe ich mal einen Tiefpunkt, dann lade ich mir ein Video meiner Enkel hoch. Etwa wenn Ben und Ella beim Weihnachtsbaumschmücken so herrlich schräg „Oh Tannebaum, oh Tannebaum“ schmettern. Oder wenn Phillip seiner dreijährigen Cousine zum Geburtstag ein Ständchen mit seinem Waldhorn spielt.

Auf dem Laufenden  – trotz Entfernung

Daneben gibt es einen Familienchat, in dem wir uns aus unserem Alltag berichten. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nichts voneinander sehen und hören. Der Vorteil gegenüber Skype: Ich kann die Nachrichten dann lesen und beantworten, wenn ich Zeit habe. Zweimal im Jahr verbringen wir alle zusammen einige Tage miteinander. Phillip zeigt bei den Treffen keinerlei Scheu und rennt auf seine Omas zu, als hätte er uns gestern erst gesehen. Und umgekehrt habe auch ich nicht das Gefühl, dass er ganz anders aussieht als beim letzten Treffen. Ich habe seine Entwicklung ja auf den vielen Fotos verfolgt. Im Familiengefüge fordert Phillip durchaus seinen Platz. Wenn ich den Kindern vorlese und Ben und Ella sich an mich kuscheln, dann fragt er: „Und wo ist mein Platz?“ Ella muss dann auf meinen Schoß, damit Phillip auch neben mir sitzen kann.

Im Moment läuft alles gut so, wie es ist. Ob sich unsere Beziehung ändert, wenn die Enkelkinder in die Pubertät kommen? Sicherlich, aber ich warte es gelassen ab.

Autorin: Gabriele Klöckner
aus KDFB Engagiert – Die Christliche Frau 12/2018

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