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Die Ungerechtigkeit der Liturgie

Initiiert eine Frauenpredigtreihe: Sr. Susanne Schneider MC, Foto: privat

29.06.2018

Die Jesuitenkirche St. Michael, zentral in der Münchner Fußgängerzone gelegen, ist ein beeindruckender Kirchenraum aus dem 16. Jahrhundert. Schon durch seine Ausmaße mit fast achtzig Metern Länge, zwanzig Metern Breite und bald dreißig Metern Höhe wird jeder, der ihn betritt, vom Menschen zum Menschlein. Alles verweist auf die Größe Gottes. Diesen Ort, der durch Jesuiten geprägt wird, entdeckte Sr. Susanne Schneider für sich, als sie 2016 nach München kam.

Als Missionarin Christi steht sie der Spiritualität des Ordensgründers der Jesuiten, Ignatius von Loyola, nahe. So nahm sie die Angebote in St. Michael gerne wahr und fühlte sich vor allem bei der täglichen Abendmesse sehr wohl. „Ich habe gemerkt, dass die Jesuiten große Schwerpunkte bei geistlicher Musik, Predigt und Liturgie setzen und versuchen, den Gottesdienst ansprechend zu gestalten“, erzählt sie. Doch bald entdeckte sie: „Woran es mangelt, ist das Thema Frauen.“

Ordensfrauen haben sich verbündet

Sie vermisste es bei Lesungen, wenn darin Frauen vorkamen, auf die kaum eingegangen wurde, oder bei Gedenktagen großer heiliger Frauen, wenn diese nicht angemessen dargestellt wurden. Sr. Susanne Schneider ist Theologin und als Ordensfrau fest im liturgischen Ablauf des Kirchenjahres verankert. 

Der Mangel ließ ihr keine Ruhe. Sie wollte etwas dagegen tun, aber allein? Bis ihr klar wurde: „Ich gehe als Ordensfrau zu Ordensmännern, da ist es sinnvoll, bei Ordensfrauen nach Verbündeten zu suchen.“ Tatsächlich fanden sich schnell zwei Mitstreiterinnen. Gemeinsam konnten sie für das Jahr 2018 eine Predigtreihe aufstellen. Die verantwortlichen Jesuiten begegneten der Initiative mit großem Wohlwollen, weil ihnen als sensiblen Liturgen die Ungerechtigkeit der Liturgie schon selbst aufgefallen war. Einmal im Monat, am jeweiligen Gedenktag, sprechen jetzt Frauen über das Leben und Wirken einer heiligen Frau.

Auch Frauenbundgründerin Ellen Ammann wird gewürdigt

Auch Frauen, die aus ihrem christlichen Glauben heraus die Welt positiv verändert haben, werden zum Predigtthema. So predigt die Geistliche Beirätin des KDFB-Diözesanverbandes München-Freising, Theresia Reischl, über Frauenbundgründerin Ellen Ammann – an deren Todestag, dem 23. November. 

„Wir sehen uns als Türöffnerinnen“, erläutert Sr. Susanne Schneider ihre Predigtinitiative für die Münchner Innenstadtkirche. „Unser Ziel ist, den spirituellen Reichtum von Sekretärinnen, Missionarinnen, Lehrerinnen, Krankenschwestern, Ordensfrauen, Singles, Mütter, Ehefrauen, Konvertitinnen, Sozialarbeiterinnen, Beterinnen und so weiter sichtbar zu machen.“

Wichtige Impulse von Frauen

Sie selbst wählte sich keine heilige Frau als Predigtthema, sondern ein besonderes Datum, den Internationalen Weltfrauentag am 8. März. Dieser Tag ist nicht aus einer kirchlichen oder christlichen Initiative entstanden. Doch: „Viele wichtige und notwendige, ja göttliche Impulse kommen zunächst nicht aus den eigenen Reihen, sondern von fremden Propheten, anderen Leuten, anderen Völkern, anderen Kulturen.“ Und an die Männer in der katholischen Kirche gewandt, fragte sie: „Vielleicht kommen notwendige und wichtige Impulse von uns Frauen?“ 

Sr. Susanne Schneider predigt sehr gerne. In Leipzig, ihrem vorherigen Wirkungsort, wurde sie immer wieder angefragt. Sooft es nur möglich war, sagte sie zu. Nach jeder Predigt blieb ihr große Dankbarkeit für die intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema und für die vielen Gespräche danach. Ähnliches hat sie auch in St. Michael erlebt: „Es gab nach allen Gottesdiensten positive Rückmeldungen und einen anregenden Austausch.“

Autorin: Anne Granda
aus: KDFB Engagiert 7/201

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