Debatte um das Abtreibungsrecht
Mitte April hat eine Expert*innenkommission der Bundesregierung Empfehlungen zur Neuregelung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch gegeben. Was bedeutet das für die Position des KDFB?
Wie schön!“ oder „O nein!“: Ein positiver Schwangerschaftstest – für die einen ein Grund zur Freude, für die anderen ein Schock. „Es gibt Frauen, die sagen: ,Ich bin in der fünften Woche, das ist eine Ansammlung von Zellen, und ich bestimme, wie ich leben will.‘ Und es gibt Frauen, für die ist das ein ganz schwerer Schritt, die weinen, auch wenn sie wissen, dass sie es nicht austragen wollen“, sagt die Diplompsychologin Kornelia Schmidt. Sie arbeitet bei der Schwangerenberatungsstelle Donum Vitae in Dresden. Dort ringen Schwangere um ihre Selbstbestimmung und die Verantwortung für das ungeborene Leben. Der sogenannte Abtreibungsparagraf 218 bietet den rechtlichen Rahmen. Wo steht hier der KDFB?
Der Koalitionsvertrag sieht eine Prüfung von Paragraf 218 vor. Reformbefürworter*innen plädieren, das Selbstbestimmungsrecht der Frau zu stärken. Die Expert*innenkommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin der Bundesregierung empfiehlt eine stufenweise Liberalisierung des Rechts auf Abtreibung. Die 18 Wissenschaftler*innen (15 Frauen, drei Männer) aus Recht, Medizin und Sozialwissenschaften halten die Rechtswidrigkeit von Abtreibungen in der Frühphase einer Schwangerschaft juristisch nicht haltbar. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau sei in diesem Zeitraum höher einzustufen als das Recht des Ungeborenen. Sie empfehlen eine Legalisierung von Abtreibungen in den ersten drei Monaten. Ab der 22. Woche, wenn der Fötus eigenständig lebensfähig ist, soll ein Verbot weiterhin gelten. Zwischen zwölfter und 22. Woche soll der Gesetzgeber entscheiden, ob ein Abbruch strafbar ist. Bisher ist ein Abbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn eine staatlich anerkannte Beratung stattgefunden hat.
Neuregelung oder Beibehaltung?
Die Frage des Schwangerschaftsabbruchs beinhaltet nach Auffassung des KDFB ein grundsätzlich nicht lösbares Dilemma, da die Rechte der Frau und die des ungeborenen Lebens untrennbar verbunden und gleichermaßen zu berücksichtigen sind. Eine als verfassungskonform zu bewertende gesetzliche Regelung muss daher immer auch die Schutzwürdigkeit des ungeborenen Kindes, bezogen auf das einzelne Leben, sicherstellen. Der KDFB sieht sich in einer doppelten Anwaltschaft für die Frau und das ungeborene Leben. „Das Selbstbestimmungsrecht der Frau ist ein enorm hohes Gut. Es gilt, dieses Recht mit den Rechten des ungeborenen Kindes in Balance zu bringen“, sagt KDFB-Vizepräsidentin Monika Arzberger. Das ist der Anspruch des Verbands.
Wichtigstes Puzzelteil des aktuellen Gesetzes ist für den KDFB die verbindliche Beratung. „Die Beratungspflicht ist nicht bevormundend, sondern ein Schutzraum des Nachdenkens. Sie ist essenziell für eine selbstbestimmt getroffene Entscheidung der Frau, gerade weil die Gründe oftmals Partnerschaftsprobleme, biografische Probleme oder Überforderung sind“, betont Vizepräsidentin Arzberger. Donum-Vitae-Beraterin Schmidt sagt, dass die meisten Frauen oft froh seien, mit einer außenstehenden Person mit absoluter Schweigepflicht reden zu können und neue Denkanstöße zu bekommen. Ohne Pflicht würden sie nicht kommen. Es gehe nicht darum, der Frau reinzureden oder ihr zu sagen, was gut und richtig ist, sondern darum, dass die Betroffenen eine gute Entscheidung für sich treffen können, ergänzt die Beraterin. Kritiker*innen von Paragraf 218 hoffen durch den Wegfall der Strafbarkeit, dass die Stigmatisierung der Frau entfällt. „Die einzelne Frau in ihrer Entscheidung nicht zu stigmatisieren, war für uns immer ein Muss“, erklärt Monika Arzberger. „Das angedachte Gesetz gegen Gehsteigbelästigung vor Abtreibungskliniken würde Frauen im Schwangerschaftskonflikt besser unterstützen und vor Stigmatisierung schützen als die Streichung von Paragraf 218“, erklärt sie.
KDFB ist für die Beibehaltung des bestehenden Gesetzes
Der KDFB ist daher ausdrücklich für die Beibehaltung der jetzigen Regelung, die die Selbstbestimmung der Frau und das Leben des Kindes gleichermaßen schützt. Bei einer häufig vorgeschlagenen Alternativregelung der grundsätzlichen Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb einer bestimmten Frist würde die Balance zwischen Selbstbestimmungsrecht der Frau und Lebensrecht des Ungeborenen zugunsten der Selbstbestimmung aufgelöst. Würde der Schwangerschaftskonflikt durch eine Streichung des § 218 StGB und Streichung der gesetzlich verpflichtenden Beratung individualisiert und privatisiert, hätte dies negative gesellschaftliche wie sozialpolitische Folgewirkungen. Das gilt besonders für Frauen oder Paare, die sich trotz einer schwierigen Ausgangslage für ein Leben mit dem (zunächst ungewollten) Kind entscheiden.
Auch wenn der KDFB eine klare Position zu diesem Thema hat, gibt es auch abweichende Stimmen im Verband. Ulrike Gerdiken, Sprecherin der KDFB-Einzelmitglieder, sieht Chancen, dass eine Neuregelung die KDFB-Position stützt: „Bei einer Regelung außerhalb des Strafgesetzbuchs ist die Frau von Beginn an eine selbstbestimmte Entscheiderin. Der Gesetzgeber darf und sollte ihr besondere Regelungen wie eine Pflichtberatung oder eine zeitliche Begrenzung vorschreiben; er muss sie dabei aber immer als die anerkennen, die sie ist: eine mündige und selbstbestimmte Frau und Bürgerin“. Aktuell stigmatisiere der Gesetzgeber (mehrheitlich Männer) ihrer Ansicht nach die betroffene Frau als Verbrecherin, bevor er ihr die Möglichkeit einer straffreien eigenen Entscheidung einräume. Daher plädiert sie: „Der Abbruch muss aus dem Strafrecht genommen werden.“ Die Mitglieder im KDFB bleiben im Gespräch über die eigene Position und die mögliche Neuregelung des Gesetzes. Dazu dient die digitale Veranstaltungsreihe (siehe unten).
Relevant für den KDFB ist zudem, was Donum-Vitae-Beraterin Schmidt bestätigt: Das Thema Strafbarkeit interessiere die Frauen weniger, vielmehr stünden praktische Fragen wie finanzielle und medizinische Unterstützung im Vordergrund. Die Hälfte aller Abbrüche geschieht aus finanziellen Gründen. Seit Jahrzehnten setzt sich der KDFB dafür ein, die Care-Arbeit auch finanziell mehr zu würdigen. Die Notwendigkeit, die medizinische Versorgungslage schwangerer Frauen zu verbessern und einen ungehinderten Zugang zu den Einrichtungen zu erhalten, sieht auch der KDFB.
Die Empfehlungen der Kommission sorgen für Kontroversen. Während Vertreter*innen und Verbände der katholischen Kirche Kritik üben, sind Vereine wie Pro Familia für eine Liberalisierung des Paragrafen. Ob eine Gesetzesänderung noch in der laufenden Legislaturperiode geplant ist, bleibt offen. Die Regierung strebt nach einem Konsens. ko/uz
KDFB-Veranstaltungsreihe „Grenzen und Freiheiten: Feministische Perspektiven auf bioethische Herausforderungen“
Jede Online-Veranstaltung betrachtet eine bioethische Fragestellung aus Frauenbundperspektive.
Expert*innen diskutieren mit den Teilnehmenden.
Alle KDFB-Frauen sind eingeladen!
Infos unter www.frauenbund.de
– Schwangerschaftsabbruch | Donnerstag, 4. Juli 2024
– Eizellspende | Donnerstag, 12. September 2024
– Leihmutterschaft | Montag, 23. September 2024
Jeweils von 19.30 bis 21.00 Uhr per Zoom