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Ellen-Ammann-Preis 2023

31.05.2023

Fünf außergewöhnliche Frauen erhalten den Ellen-Ammann-Preis 2023. Eine von ihnen wird am 27. Juni im Bayerischen Landtag in München mit dem Hauptpreis ausgezeichnet, auch die anderen bekommen Preise. Alle fünf Gewinnerinnen engagieren sich für die Rechte von Frauen – wie einst Frauenbundgründerin Ellen Ammann.  

Rali Guemedji

Die Krankenschwester setzt sich für die Gesundheit von Müttern und Kindern in ihrer Heimat Togo ein.

Mit kleinen Schritten etwas in der Welt verändern – dieses Motto ist ein innerer Antrieb für Rali Guemedji, die aus der Stadt Bassar in Togo stammt. Vor elf Jahren gründete sie in Nürnberg den Verein „Fi Bassar“ (übersetzt: „Rettet Bassar“), der Müttern und Kindern in ihrer Heimat sehr geholfen hat: Brunnen mit sauberem Wasser wurden gebaut. Zudem konnte die Gesundheitsversorgung, vor allem rund um die Geburt, verbessert werden.
Das nächste Herzensprojekt der 45-jährigen Krankenschwester, die seit 30 Jahren in Deutschland lebt und im Klinikum Nürnberg arbeitet, ist der Bau einer Kinderklinik auf dem Gelände des Krankenhauses in Bassar. „Derzeit fehlt es am Allernötigsten, wie zum Beispiel an Sauerstoff und an Betten. Oft müssen sich drei Mütter mit ihren Kindern ein Bett teilen. Zudem fehlen sanitäre Einrichtungen für die Angehörigen, die ihre Kinder selbst pflegen und versorgen müssen“, erklärt Rali Guemedji. Neben der Gesundheit fördert die Vorstandsvorsitzende mit ihrem Verein auch die Bildung von Frauen und Kindern in Togo. Mit Ausbildungspatenschaften hat Rali Guemedji schon vielen Mädchen zu mehr Selbstbewusstsein verholfen: „Bildung öffnet Türen – gerade für Frauen. Eine Frau mit Bildung ist selbstbestimmt und gibt diese an ihre Kinder weiter.“
Inzwischen haben über 85 bedürftige Jugendliche, darunter vor allem Mädchen, eine Ausbildung finanziert bekommen. Nach Abschluss der Ausbildung erhalten die jungen Menschen ein Existenzgründungsgeschenk, wie zum Beispiel eine Nähmaschine. „Mädchen mit Ausbildung sind Vorbilder für andere Mädchen. Wir fördern an der Berufsschule auch die Ausbildung von Frauen in Männerberufen. Einige Existenzgründerinnen bilden dann wiederum Mädchen aus, die von uns gefördert werden“, erklärt die Togoerin, die sich mit viel Herzblut als Netzwerkerin für ihre Heimatstadt einsetzt: „Es ist ein großes Glück, dass die Menschen mein Anliegen ernst nehmen. Dadurch sind wir so weit gekommen.“

Elke Reinhart

Die heutige Integrationsbeauftragte wechselte ihren Beruf, um Frauen beim Einleben in der neuen Heimat zu helfen.

Die Flüchtlingswelle 2015 war für die Oberpfälzerin Elke Reinhart lebensverändernd. Als sie die Not der Flüchtlingsfrauen sah, hängte sie ihren Job als Werbe- und Marketing-Fachfrau an den Nagel und bot der Flüchtlingsunterkunft in Neunburg vorm Wald ihre Hilfe an. Zudem gründete sie zwei „Emma“-Secondhandläden, in denen Menschen verschiedener Generationen und Kulturen zusammenarbeiten und sich austauschen können.
In Gesprächen wurde Elke Reinhart schnell klar, dass bei den Integrationsangeboten die Mütter vergessen werden. „Das hat mich erschüttert, und so gründete ich 2017 das Modellprojekt ‚Deutsch für Mütter‘ mit“, erklärt die 49-Jährige, die das Projekt organisiert. Dabei waren für die heutige Integrationsbeauftragte der Stadt Neunburg vorm Wald viele Widerstände zu überwinden. Denn nach zahlreichen Telefonaten stand fest: Der Staat kann wenig tun, die Regeln für die Teilnahme an Deutschkursen stehen fest und sind unpassend für Mütter im ländlichen Raum. „Wir aber wollen die Frauen fördern und stärken, denn die Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Wir können ihnen nicht sagen: ‚Du darfst nicht teilnehmen, weil es den Vorgaben widerspricht‘“, erklärt Reinhart, die viel Engagement aufbrachte, um die Deutschkurse mit Spendengeldern zu finanzieren. Dabei ist ihr Gerechtigkeitssinn ein Antrieb für sie: „Wenn ich soziale Ungleichheiten erkenne, dann muss ich aktiv werden. Mein Motto ist: Geht nicht, gibt es nicht!“
Ihr Projekt hat sich inzwischen sehr gut entwickelt. Derzeit lernen über 100 Frauen in acht Kursen Deutsch, während ihre Kinder betreut werden. Die Initiative „Integration SAD“ organisiert die Kurse im Landkreis Schwandorf. Dieses Projekt der Serviceclubs (Rotary, Lions, Round Table) mit Unterstützung der Horsch-Stiftung leitet Elke Reinhart neben ihrer Arbeit als Integrationsbeauftragte. „Durch die Kurse lernen die Frauen auch unsere Lebensgepflogenheiten und Werte kennen. Das ist sehr wichtig, weil Mütter eine Schlüsselrolle bei der Integration ihrer Familien haben“, sagt sie.

Andrea Hopperdietzel

Einen anonymen Zufluchtsort bietet die Frauenhaus-Leiterin Frauen und Kindern nach Gewalterfahrungen.

Für eine gewaltfreie Zukunft von Frauen und Kindern setzt sich Andrea Hopperdietzel ein. Die 59-jährige Sozialpädagogin leitet das Frauenhaus Schwabach, eine Vorbildeinrichtung in Bayern. „Wir bieten Frauen und Kindern, die von körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt betroffen sind, einen anonymen Zufluchtsort, an dem sie zu jeder Tages- und Nachtzeit Schutz finden“, erklärt die Schwabacherin, die vor 27 Jahren das Anna-Wolf-Frauenhaus mitbegründete. Seit damals haben rund 2 000 Frauen eine vorübergehende Wohnmöglichkeit im Frauenhaus gefunden, ebenso viele wurden telefonisch, persönlich oder online beraten. Zusätzlich haben die Frauenhaus-Leiterin und ihr Team seit 2015 rund 1 400 gewaltbetroffene Frauen nach einem Einsatz der Polizei beraten – über die Interventionsstelle in Schwabach. Andrea Hopperdietzel ist es ein Herzensanliegen, den Frauen zu einem gewaltfreien Leben zu verhelfen: „Bei uns können sie sich auf ihre eigenen Kräfte besinnen und finden Zeit, ihre jetzige und zukünftige Lebenssituation zu klären. Gemeinsam mit ihnen schätzen wir die Gefährdung ein und suchen nach einem gangbaren Weg.“ Die Mutter von drei erwachsenen Kindern engagiert sich zudem als Vorsitzende der Frauenkommission dafür, das Leben für Frauen und Mädchen in Schwabach noch besser zu gestalten. Es geht um Themen wie gerechte Bezahlung, Besetzung von Leitungspositionen, Care-Arbeit und vieles mehr. „Frauen und Mädchen werden häufig benachteiligt. Mir geht es darum, die Gesellschaft für diese Ungerechtigkeiten zu sensibilisieren und das Leben für alle zu verbessern“, sagt Andrea Hopperdietzel. Die Kraft für ihr soziales Engagement schöpft sie aus ihrer Lebensfreude: „Ich bin eine begnadete Optimistin und mit viel Herzblut bei der Sache. Die Arbeit im Frauenhaus ist mein Traumjob und mein Lebenswerk zugleich.“

Margarete Winnichner

Die Sozialpädagogin machte mit ihrem Verein Mädchen und Frauen auf dem Land Mut, Unsagbares auszusprechen.

An den Schlüsselmoment für ihr soziales Engagement erinnert sich Margarete Winnichner noch ganz genau, auch wenn er schon über 35 Jahre zurückliegt. Die 64-jährige Sozialpädagogin aus dem bayerischen Übersee lernte damals ein Mädchen kennen, das jahrelang körperlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt war: „Die Geschichte der jungen Frau hat mich erschüttert. Das ist so ein schlimmer Eingriff in das Leben eines Menschen, dass ich spontan beschloss, mich gegen häusliche und sexualisierte Gewalt zu engagieren.“
So gründete Margarete Winnichner 1986/87 zusammen mit sechs anderen Frauen den Verein „Frauen für Mädchen“. Damals war sexualisierte Gewalt, vor allem auf dem Land, aufgrund von Sexualmoral und Tradition noch ein Tabuthema. „Ich würde uns als mutige Vorreiterinnen bezeichnen, die dieses Problem in unserer Region aus der Verschwiegenheits- und Tabuzone herausgeholt haben, obwohl man uns damals eher belächelt und auch beleidigt hat. Einschüchtern haben wir uns jedoch nicht lassen“, erzählt Winnichner. Trotz aller Widerstände erreichte der Verein seine Ziele, etwa die Umsetzung von Präventions- und Hilfsangeboten und den Aufbau eines Netzwerks, damit Betroffene schnell unterstützt werden können. 2001 wurde Margarete Winnichner als Fachbereichsleiterin für Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe beim Diakonischen Werk Traunstein angestellt. Damit ist die Tätigkeit des Vereins in der Arbeit der Fachstelle für sexuelle Gewalt der Diakonie aufgegangen. „So ist es möglich, unser Engagement weiterzuführen, das wir angestoßen haben“, freut sich die Tochter einer Frauenbundfrau. Zudem hat Winnichner mit anderen Fachfrauen den örtlichen „Runden Tisch“ gegen häusliche Gewalt ins Leben gerufen. Ehrenamtlich engagiert sich die zweite Bürgermeisterin von Übersee, Gemeinderätin und Kreisrätin (Bündnis 90/Die Grünen) für ukrainische Geflüchtete: „Auch hier habe ich meinen besonderen Schwerpunkt darauf, wie Frauen und ihre Kinder in dieser schwierigen Lage besser geschützt werden können.“

Karola Herbert

In Krisen- und Notsituationen hilft die Sozialpädagogin Frauen weiter, die am Rande der Gesellschaft stehen.

„Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“ – Dieser Vers der deutschen Schriftstellerein Hilde Domin gibt der Sozialpädagogin Karola Herbert Kraft für ihr soziales Engagement.
Die 62-jährige gebürtige Würzburgerin tritt für Frauen ein, die am Rande der Gesellschaft stehen. Sie hilft, ihre Lebensumstände zu verbessern: „Es ist mir wichtig, gegen Ungerechtigkeiten anzugehen, die Frauen, vor allem wohnungslosen Frauen, widerfahren. Deshalb will ich den betroffenen Frauen eine Stimme geben“, erklärt die Leiterin des Fachbereichs Frauen der Oberzeller Franziskanerinnen. Ihr Ziel ist es, andere Menschen, insbesondere auch Politiker*innen, für die Krisensituation der wohnungslosen Frauen zu sensibilisieren. Auslöser für die Notlagen der Frauen sind oftmals Bindungsabbrüche, psychische und physische Beeinträchtigungen sowie Lebensbedingungen, die durch Gewalt, Traumata und Sucht gekennzeichnet sind – oft schon seit der Kindheit. Die Einrichtungen der Oberzeller Franziskanerinnen in der Region Würzburg sind eine wichtige Anlaufstelle für Frauen, die ihre Krisen- oder Notsituation aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen können. Aber nicht immer können die Sozialpädagogin und ihr Team helfen.
Erst im März ereignete sich im Wohnprojekt „Frauenobdach plus“ in Würzburg ein schreckliches Unglück. Eine Bewohnerin hatte im Haus in suizidaler Absicht Feuer gelegt und war dabei ums Leben gekommen. „Es ist sehr dramatisch. Zudem haben Frauen, die früher wohnungslos waren, jetzt wieder ihr Zuhause verloren. Sie wurden in Ausweichquartiere verlegt und werden jetzt mobil betreut“, erklärt sie. Vorbilder für das soziale Engagement von Karola Herbert sind die Ordensfrauen der Oberzeller Franziskanerinnen, für die sie seit über 30 Jahren in der Frauenarbeit tätig ist: „Das sind Frauen, die mich mit ihrem Engagement, Frauen in Not zur Seite zu stehen, schon als 19-jährige Erzieherin und später als Sozialpädagogin fasziniert haben. Das hat mich beflügelt.“

Frauen mit Charisma

Der diesjährige Ellen-Ammann-Preis wird am 27. Juni im Bayerischen Landtag in München verliehen. Zum sechsten Mal zeichnet damit der KDFB Landesverband Bayern charismatische Frauen aus, die anderen Mut machen. Bewusst werden einzelne Frauen geehrt und nicht Projekte. Die Hauptpreis-Gewinnerin erhält 2 000 Euro, dazu die Ellen-Ammann-Kamee – ein Schmuckstück (siehe Foto), das speziell für diesen Anlass entworfen wurde. Die zweite und die dritte Preisträgerin erhalten 1 000 beziehungsweise 800 Euro. Frauen auf Platz vier und fünf können sich über 500 beziehungsweise 300 Euro freuen. Das Sä­kularinstitut Ancillae Sanctae Ecclesiae, gegründet von Ellen Ammann, unterstützt den Frauenbund finanziell bei der Ausgestaltung des Preises.

17 Frauen hatten sich beworben. Diesmal ergab die Begutachtung ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Bewerberinnen. Auch die 14-köpfige Jury tat sich schwer mit der Platzierung der Preisträgerinnen. Jurymitglied ist beispielsweise Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die Schirmherrin des Ellen-Ammann-Preises. Auch die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sowie Landtagsabgeordnete von Freien Wählern, SPD, Grünen und der FDP gehören der Jury an, dazu Medienfrauen und Repräsentantinnen vonseiten der Verbände und Gewerkschaften. Mehr unter www.frauenbund-bayern.de

 

Autorin: Karin Schott

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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