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Kleidung auf katholisch: Die Modekommission im Frauenbund

Die Kirchenhistorikerin Ines Weber, Foto:privat

30.09.2019

Die Kirchenhistorikerin Ines Weber (Jahrgang 1970) ist Professorin für Kirchengeschichte und Patrologie an der Katholischen Privat-Universität Linz. Zu ihren Forschungsinteressen gehören die Christentumsgeschichte des frühen Mittelalters sowie die des 19. und 20. Jahrhunderts, die Frömmigkeits- und Theologiegeschichte sowie die Geschichte der christlichen Erziehung. Sie gibt Auskunft über die Modekommission des KDFB.

KDFB engagiert: Der KDFB hat sich in den 1920er-Jahren intensiv mit Mode befasst. Was war der Hintergrund?

Ines Weber: Kleidung drückt eine innere Haltung aus. In diesem Sinne wurden in allen Epochen Modefragen angesichts der gesellschaftlich-kulturellen Entwicklung diskutiert. Da es nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Zusammenbruch traditioneller Systeme kam, wurden grundsätzliche religiöse Fragen neu gestellt: Was bedeutet Christsein? Was ist ein christlich gutes Leben? Welche Rolle spielen Christinnen und Christen in den neu geschaffenen demokratischen Strukturen? Dabei ging es auch darum, ein christliches Frauenideal nach außen zu zeigen – auch durch angemessene Kleidung.

KDFB engagiert: Der KDFB hat damals eine Modekommission eingerichtet….

Ines Weber: Ja, der Frauenbund hat sich mit der Frage befasst, wie sich Katholikinnen kleiden sollten, um ihre religiöse Haltung nach außen zu spiegeln. Damals hat sich Mode im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor radikal verändert. Sie wurde „freizügiger“, man denke nur an das Charleston-Kleid. Frauen haben Beine, Dekolleté und Arme gezeigt. Aus katholischer Perspektive aber sollten diese Körperteile bedeckt bleiben, um nicht anstößig zu wirken. Es ging um Sittlichkeit.

KDFB engagiert: Mit welchen Methoden wollte der Frauenbund die neue Mode verändern? 

Ines Weber: Bevor die Bekleidungsindustrie entstand, haben Frauen ihre Kleider selbst geschneidert oder schneidern lassen. In den 1920er-Jahren gab es bereits Modehäuser, in denen fertige Kleidung gekauft werden konnte. Genau gegen diese Kleidung von der Stange wandte sich der KDFB. Damit sich aber Frauen anders kleiden konnten, mussten sie wieder selbst nähen. Das wollte die Modekommission ihnen ermöglichen.

KDFB engagiert: Was genau hat die Modekommission getan?  Ines Weber: Sie hat einen Schnittmusterservice entwickelt und eine neue Zeitschrift gegründet: die Blätter für Kleid- und Heimkultur. In jeder Ausgabe dieser Zeitschrift, die mit der katholischen Tagespresse verteilt wurde, fanden Leserinnen ein Schnittmuster zum Nachschneidern. Außerdem hat die Modekommission Ausstellungen organisiert, die sittliche Kleidung präsentierten. Diese Ausstellungen wanderten von Gemeinde zu Gemeinde. Abends wurden in den Gemeinden Vorträge zum Thema gehalten. Dabei ging es um Frömmigkeit und darum, wie sie sich in Mode ausdrückt – die zeitgemäß und zugleich katholisch sein sollte.

KDFB engagiert: War dieses Vorhaben erfolgreich?

Ines Weber: Nein, denn auch katholische Frauen wollten sich modisch kleiden. Die vom Frauenbund entwickelte Kleidung war nicht sehr chic, sie war anders als diejenige, die im Kaufhaus angeboten wurde. Der KDFB hatte zudem nicht genug Geld, um sein Anliegen durchzusetzen. Nicht nur der Schnittmusterservice musste bezahlt werden. Um professionelle Kollektionen zu entwickeln, hätten auch eine Schneiderin und eine Modeschöpferin beauftragt werden müssen, doch dazu haben die finanziellen Mittel nicht gereicht.

KDFB engagiert: Wie ist dieses Engagement aus heutiger Sicht zu beurteilen?

Ines Weber: Als Kirchenhistorikerin bin ich vorsichtig bei solchen Fragen. Wir können das heute mit unseren Maßstäben nicht beurteilen. Dazu müssten wir uns in die Situation der 1920er-Jahre hineinversetzen, die damaligen Wertmaßstäbe und Moralvorstellungen in Betracht ziehen und vor diesem Hintergrund überlegen: War die Aktivität in ihrer Zeit sinnvoll und logisch?

KDFB engagiert: Und war sie es?

Ines Weber: Ja. Denn es ging damals nicht um Mode allein, sondern um einen umfassenden Entwurf eines christlichen Frauenbildes. Dieser unterschied sich an manchen Stellen deutlich von dem heutigen. Katholikinnen hatten den Auftrag, den Glauben in der Gesellschaft zu verbreiten. Sie sollten nicht nur ihre Kinder christlich erziehen, sondern sich auch in christlichen Vereinen engagieren, sich caritativ, aber auch politisch betätigen, um eine mit christlich-katholischen Werten durchdrungene Gesellschaft zu erreichen. Als mit dem Ersten Weltkrieg das geschlossene christliche Weltsystem in sich zusammenbrach, wurde umso mehr versucht, die christlichen Ideale in alle gesellschaftlichen Schichten hineinzutragen. Dazu waren Frauen aufgerufen. Das müssen wir berücksichtigen, sonst verstehen wir die damalige Modedebatte nicht.

Interview: Maria Sileny
aus: KDFB engagiert 10/2019

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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