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Licht der Welt

An Mariä Lichtmess, dass am 2. Februar gefeiert wird, werden Kerzen gesegnet. Foto: Bardehle

11.01.2018

Vierzig Tage nach Weihnachten folgt am 2. Februar ein uraltes christliches Fest – die „Darstellung des Herrn“. Im Volksmund heißt es „Mariä Lichtmess“ und hat überraschende Wurzeln.
Kerzenschein hüllt das Innere der Kirche in einen goldenen Glanz. Ein ganzes Lichtermeer schimmert am Altar. Bunte Tücher und Blüten ergänzen die leuchtende Pracht. Wenn am 2. Februar das Fest „Darstellung des Herrn“, im Volksmund „Mariä Lichtmess“, gefeiert wird, dreht sich vieles um das Licht. Die Jahreszeit ist noch dunkel, die Tage sind kurz, doch sie werden länger. Die Hoffnung auf mehr Licht wird sich bald erfüllen, das spürt man jetzt. 
Kerzen, uralte Lichtsymbole, werden gesegnet, die Vorfreude auf einen neuen Abschnitt im Jahreskreis ist damit verbunden. Die Weihnachtszeit, die offiziell am ersten Sonntag nach Dreikönig endet, ist nun vorbei. Manche Ältere können sich aber noch erinnern, dass das Fest am 2. Februar früher als der letzte Weihnachtstag galt, an dem Christbäume und Krippen weggeräumt wurden. Vielerorts wird der Brauch noch  beibehalten, und das hat seine Begründung. Denn „Darstellung des Herrn“ greift ein weihnachtliches Motiv auf: Das göttliche Kind wird als das Licht der Welt gefeiert. Die Feier bezieht sich auf eine biblische Szene, die der Evangelist Lukas erzählt (Lk 2,21-40): Vierzig Tage nach der Geburt Jesu machen sich Maria und Josef auf nach Jerusalem, um dort im Tempel religiöse Pflichten zu vollziehen, wie sie das Gesetz des Mose für die Zeit nach der Geburt eines Kindes vorgeschrieben hatte. Im Tempel angekommen, erleben sie jedoch etwas Unerwartetes: Zwei alte Menschen begegnen ihnen dort, Simeon und Hanna. Beide sind entzückt von dem Kind, denn sie erkennen in ihm den Messias, auf den das jüdische Volk sehnsüchtig gewartet hat. 
Eines der ältesten christlichen Feste 
Eine anrührende Szene ist das, voller Glanz und Würde. Kaum geboren, wird Jesus bereits als Herrscher wahrgenommen, der in die heilige Stadt Jerusalem einzieht. Dieses Motiv hat schon sehr früh Christen zu einer Feier inspiriert. „Darstellung des Herrn“ gehört zu den ältesten christlichen Festen. So schrieb die Pilgerin Egeria Ende des vierten Jahrhunderts in ihrem Reisebericht über Lichterprozessionen der Christen in Jerusalem. Nach einem antiken Brauch ziehen die Bewohner einer Stadt ihrem Herrscher entgegen, wenn er sie zum ersten Mal besucht. Einer alten Überlieferng nach lag damals, als das liturgische Fest in Jerusalem entstand, ein Kloster auf dem Weg nach Betlehem. Seine Gründerin Hikelia soll die Mönche mit Kerzen ausgestattet haben. Und so gingen sie mit flackernden Lichtern Jesus entgegen, um ihn als ihren König in die heilige Stadt zu begleiten.
Voller Inbrunst pries Patriarch Sophronius von Jerusalem im sechsten Jahrhundert die feierlichen Lichterumzüge. Vom Jubel, vom Schreiten mit Lampen und von Lichtweihe sang er in einem mitreißenden Hymnus. Während seiner langen, lebendigen Tradition hat der altchristliche Brauch schon immer die Herzen der Menschen berührt. Und so ist es bis heute. Über die Jahrhunderte nahm er in unterschiedlichen Kulturkreisen verschiedene Formen an. Das erklärt auch, warum für das Fest mehrere Namen verwendet werden.  
Zeit, einen Vorrat an Kerzen für das ganze Jahr zu kaufen 
Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts war der 2. Februar ein besonderer Tag im Jahresablauf, er hat das Leben der Menschen strukturiert. Auf einem Lichtmarkt, einer „Lichtmess“, hat man sich an dem Tag einen Vorrat an Kerzen für das ganze Jahr besorgen können. Anschließend wurden die Kerzen, oft auch Wachsstöcke, in einem Gottesdienst geweiht. Aber nicht nur das: Für die Bauern fing mit dem 2. Februar das neue Arbeitsjahr an, Dienstleute bekamen ihren Jahreslohn ausgezahlt, neue Arbeitsverträge wurden geschlossen. Und damit waren auch ein paar freie Tage verbunden – der Ganzjahresurlaub. Was waren das noch für Zeiten! Wenn man hingegen heute Passanten auf der Straße nach „Lichtmess“ befragt, schütteln die meisten nur den Kopf. Nein, kaum einer weiß noch etwas von dem Fest. Seit mehr als hundert Jahren ist es kein Feiertag mehr, fast scheint es im Getriebe des Alltags unterzugehen. 
„An vielen geht es vorbei“, bestätigt Claudia Schmidt, Geistliche Beirätin im Frauenbund. „Andererseits aber gibt es viele Gläubige, die es lieben und pflegen.“ Es sei ja ein sehr reichhaltiges Fest. Insbesondere Frauen lassen sich ansprechen, das hat die Pastoralreferentin immer wieder erlebt. Auch wenn es heute „Darstellung des Herrn“ heißt und damit Jesus im Mittelpunkt steht, wird es noch vielerorts wie selbstverständlich zu den Marienfesten ge­zählt. So wie es lange Tradition in der katholischen Kirche war. „Mariä Reinigung“ hieß das Fest bis zur Liturgiereform der 1960er-Jahre. Und es fügte sich in die Reihe anderer Marienfeiertage im Kirchenjahr – von „Mariä Geburt“ über „Mariä Verkündigung“ bis hin zu „Mariä Himmelfahrt“. Noch heute tragen einige wenige Kirchen den Namen „Mariä Reinigung“, wie die Pfarrkirche in Steinheim, einem Stadtteil im schwäbischen Dillingen. 
Kultische Reinigung der Wöchnerin 
Doch was bedeutet „Mariä Reinigung“? Der Evangelist Lukas leitet die Szene im Jerusalemer Tempel mit den Worten ein: „Dann kam für sie der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung.“ Damit spricht er ein Ritual aus dem Alten Testament an, das zu den kultischen Reinheitsgesetzen des Volkes Israels gehört und im Buch Levitikus unter der Überschrift „Die Reinigung der Wöchnerin“ genau beschrieben ist (Lev 12,1-8). Nach einem archaischen Glauben galt eine Frau, die ein Kind geboren hatte, wegen der Blutung wochenlang als unrein. Deswegen musste sie zu Hause bleiben und durfte auch den Tempel nicht betreten. Nach einer vorgeschriebenen Frist hatte sie jedoch die Pflicht, sich im Tempel einzufinden, um vom Priester rituell gereinigt zu werden. Ein Schaf und eine Taube waren die Opfergaben, die sie mitzubringen hatte. War die Frau aber arm, so reichten auch zwei Tauben. Maria handelte nach dem Gesetz des Mose und pilgerte mit Josef, dem kleinen Jesus und zwei Tauben zum Tempel. So steht es in der Bibel. 
Das uralte Ritual ist aus heutiger Sicht längst überholt. „Die archaische Vorstellung, dass Blutfluss eine Frau unrein mache, gab es in vielen Kulturen, auch in der jüdischen Tradition“, erklärt dazu Claudia Schmidt. Die katholische Kirche habe diesen Gedanken übernommen und lange daran festgehalten. Der Brauch der „Muttersegnung“ oder „Aussegnung der Mutter nach der Geburt“ wurde im elften Jahrhundert in die liturgischen Bücher aufgenommen – und hielt sich bis in die 1960er-Jahre. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde das Ritual in eine Segnung der Eltern nach der Tauffeier umgeformt. Und doch: Selbst heute fällt es manch einem schwer, das archaische Bild der Unreinheit der Frau abzulegen. „Mag sein, dass es ursprünglich um Hygiene ging, doch das Wort ,unrein‘ zieht einen moralischen Vorwurf nach sich, wird mit ,unwürdig‘ gleichgesetzt. Heute noch gelten Frauen als unwürdig, bestimmte Dinge zu tun, zum Beispiel am Altar zu stehen“, erklärt Schmidt. 
Der Erstgeborene galt einst als Gottes Eigentum 
Andererseits: In der biblischen Szene selbst dient das Reinigungsritual lediglich als Hintergrund des eigentlichen Geschehens. Es erklärt schlicht, dass Maria und Josef fromme Juden waren, die die Gesetze des Mose befolgten. Dazu gehörte auch die „Darstellung“ des erstgeborenen Sohnes, der nach alter Tradition als Gottes Eigentum galt und mit einer Geldspende ausgelöst werden musste. Im Vordergrund jedoch steht etwas ganz anderes: Im Jerusalemer Tempel kommen drei Generationen des Volkes Israel zusammen – das Baby Jesus, seine jungen Eltern und zwei hochbetagte Menschen, Simeon und Hanna. Eine wundersame Begegnung ist es. Simeon, ein frommer Mann, der wohl den eigenen Tod kommen sieht, nimmt das Baby in seine Arme und preist Gott: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ Dieser kurze Hymnus wird bis heute im Stundengebet der Kirche täglich gesungen, als Nachtgebet, das den Tag abschließt. 
Simeon und Hanna verbinden das Alte mit dem Neuen Testament 
Während Simeon das Kind besingt, kommt Hanna hinzu, eine 84-jährige Witwe. Sie lebt schon lange im Tempel und dient dort Gott mit Fasten und Beten, wie es in der Bibel heißt. Lukas stellt sie sogar als Prophetin vor. Auch sie preist Gott und spricht über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warten. In Simeon und Hanna sieht die Theologin Claudia Schmidt das Volk Israel verkörpert, das seit vielen Jahrhunderten sehnsüchtig auf das Kommen des Messias wartet. „Die politisch-religiöse Erwartung begleitet das jüdische Volk durch seine Geschichte, in der es stets um seinen Platz zu kämpfen hatte“, erklärt Schmidt. Jesus kommt in einem von Römern besetzten, in religiöse Parteien gespaltenen Land zur Welt, das sich nach einem starken, rettenden Herrscher sehnt. 
„Simeon und Hanna, zwei fromme Israeliten, verbinden das Alte mit dem Neuen Testament. An einer Schwelle, an der etwas Neues beginnt, bezeugen sie den alten Glauben“, sagt die Theologin. Die beiden sprechen zu den Tempelbesuchern und muten ihnen einiges zu. Denn Simeon und Hanna wagen es, ein kleines, schwaches Geschöpf, ein eben geborenes Kind, zum Messias zu erklären. Etwas Unerhörtes! Simeon und Hanna handeln öffentlich, dabei kommen ihre innige Gottesbeziehung und ihr unerschütterlicher Glaube zum Vorschein. 
Die Tempel-Szene inspirierte Maler und Komponisten
Wohl deshalb ließen sich Künstler aller Zeiten von der Bibelstelle berühren. So komponierte Johann Sebastian Bach mehrere Kantaten zum Fest und Johannes Eccard, ein deutscher Musiker des 16. Jahrhunderts, den Choral „Maria wallt zum Heiligtum“. Unzählige Maler haben die Tempel-Szene auf Gemälden festgehalten – ob Fra Bartolomeo, Giovanni Bellini oder Hans Memling. Meist steht der alte Simeon, der das göttliche Kind in seinen Armen hält, im Zentrum des Bildes. Rembrandt hat die Szene derart fasziniert, dass er sie wiederholt malte. Er stellt sogar seine eigene Mutter als Prophetin Hanna dar. Nach seinem Tod fand man in seiner Werkstatt ein unfertiges Bild, darauf der greise Simeon mit Jesus in den Armen. Auf einem dunklen Hintergrund sind das Gesicht des Mannes und das Kind hell erleuchtet. Der Alte scheint die Lippen zu bewegen, als sänge er: „Meine Augen haben das Licht gesehen“, doch seine Augen schließen sich. Mit seinen inneren Augen aber sieht er das Wesentliche – die Hoffnung auf den Neubeginn, mit der er diese Welt verlässt. 
Wie die Künstler früherer Zeiten können sich auch heutige ChristInnen von dem Lukas-Bericht berühren lassen. Claudia Schmidt erinnert der Text an das biblische Ringen um die Frage, ob Jesus tatsächlich als der versprochene Messias anzuerkennen war: „Was uns heute in der Rückschau als selbstverständlich erscheint, musste zu Jesu Zeiten erst erkämpft werden. Für alle Beteiligten ein mühsamer Prozess. Und die Szene im Tempel war dabei eine Sternstunde.“  
Autorin: Maria Sileny
aus: KDFB Engagiert 1+2/2018

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