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Fairer Unterhalt

24.02.2020

Die Zahl der Alleinerziehenden nimmt stetig zu. Bei ihnen ist die Last der Sorgearbeit groß – und sie sind häufig armutsgefährdet.

„Ich weiß es zu schätzen, dass ich unter den Alleinerziehenden eine gute Position habe. Ich kenne Frauen, die sehr viel mehr um ihre Existenz kämpfen müssen als ich.“ Diese Einschätzung ihrer Lebenssituation betont Barbara F. immer wieder. Doch noch bevor die Mittelschullehrerin zu erzählen beginnt, verrät ihre angespannte Stimme und ihr schnelles Sprechen, dass sie unter starkem Druck steht. Seit vier Jahren ist die 47-Jährige geschieden, arbeitet in Teilzeit und erzieht ihre beiden Töchter, die inzwischen elf und neun Jahre alt sind, allein. Und sie lebt in München, der Großstadt mit Rekordmietpreisen. „Ich habe zwei Jahre darum gekämpft, dass ich mit den Kindern in unserer Wohnung bleiben durfte. Die gehört einer Wohnbaugenossenschaft, und ich kann die Miete zahlen“, erläutert Barbara F. Obdachlosigkeit, die Alleinerziehenden in besonderem Ausmaß droht, wird Barbara F. deshalb wohl nicht treffen. Und sie kann arbeiten und muss nicht, wie viele Alleinerziehende, von Hartz IV leben. 2018 waren mehr als die Hälfte der Familien in Hartz-IV-Bezug Haushalte von Alleinerziehenden. 

Pures Glück: mit den Tüchtern gemeinsam zu frühstücken

Auch in der Schule musste Barbara F. kämpfen. Es dauerte einige Zeit, bis sie nicht mehr in der ersten Stunde unterrichten brauchte. Das bedeutet für sie, dass sie mit ihren Kindern frühstücken und sie in die Schule schicken kann. „Vielleicht können Kinder sich im Grundschulalter morgens auch alleine auf den Weg machen, aber sie fühlen sich nicht wohl dabei“, ist Barbara F. überzeugt. Ein Schulrat meinte zwar, dass sie sich ja eine Studentin oder eine Seniorin organisieren könnte, die täglich morgens eine Stunde da wäre. „Aber wer kommt denn für nur eine Stunde?“ fragt sich Barbara F. Eine Kraft als Unterstützung im Haushalt könnte sie sich niemals leisten, nicht einmal schwarz. Und sie lacht, wenn sie darauf hinweist, dass kaum Männer als Grund- oder Mittelschullehrer arbeiten, denn mit dem Gehalt könne man ja keine Familie ernähren. 

Barbara F. sieht es als Glück an, dass ihr geschiedener Mann Unterhalt zahlt. Dass sie da wirklich Glück hat, zeigt die Statistik. Nur ein Viertel der 1,5 Millionen Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern erhält die eigentlich vorgeschriebene Mindestsumme von ihrem ehemaligen Partner. Die Hälfte erhält keinen Unterhalt vom anderen Elternteil, und ein Viertel bekommt zu wenig. 

Das Gefühl, strampeln zu müssen, um nicht unterzugehen

Trotzdem hat Barbara F. das Gefühl, dass sie immer strampeln muss, um nicht unterzugehen. „Manchmal komme ich im Alltag nur noch zum Japsen“, sagt sie. Täglich heißt es für sie in Eile raus aus der Arbeit, unterwegs einkaufen, die Kinder einsammeln, zu Hause kochen, die Hausaufgaben unterstützen, immer schauen, was noch fehlt, putzen, aufräumen, waschen, die Kinder vom Verein abholen, ins Bett bringen. Das ganze Familiengefüge hängt an ihr. Und nicht nur in den kleinen Dingen. Sie muss allein entscheiden, ob ihre Töchter nach dem Stress der Trennung vielleicht ein paar Stunden Therapie bräuchten oder in welche Schule sie wechseln sollten. „Nach der Scheidung musste ich alle Finanz- und Versicherungsfragen nochmal durchgehen und klären. Frauen, die sich für eine Trennung entscheiden, sollten eine Finanzberaterin bekommen“, ist sie inzwischen überzeugt. Professionelle Beratung hätte Barbara F. sich schon im Vorfeld gewünscht, als es um den Ausgleich für die drei Jahre Elternzeit ging, die sie während der Ehe ganz zu Hause geblieben war. Ihre Kraft reichte nicht, sich ihre Rechte gerichtlich zu erstreiten. So bleibt ihr eine Lücke in der Rente. 

Die Rentenlücke wird sie in naher Zukunft auch nicht durch einen beruflichen Aufstieg ausgleichen können. Als erfahrene Lehrkraft stünden ihr Stellen als Konrektorin, Seminarleiterin und im Kultusministerium offen. Doch dafür müsste sie mehr Zeit investieren können. „Ich hatte das Angebot für eine Teilzeitstelle im Kultusministerium, drei Tage, von sieben bis 19 Uhr. Das hätte bedeutet, dass mich meine Töchter an drei Tagen nicht gesehen hätten – für mich eine zu große Lücke im Familienleben!“ 

Als größte Entlastung in ihrem Leben sieht Barbara F. die katholische Seelsorgestelle für Alleinerziehende. Sie geht dort in die ökumenischen Gottesdienste und kann sich in Gruppen und Seminaren mit Frauen in ähnlicher Situation austauschen. Und Urlaubsangebote sind günstig zu haben. Der Preis richtet sich nach dem Gehaltszettel. „Seitdem ich auf diese Angebote gestoßen bin, geht es mir besser, ich sehe wieder Land.“   

Autorin: Anne Granda

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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