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„Zu Hause darf ich sein, wie ich bin. Wo hat man das sonst?“

Für die Zwanzigjährigen von heute gilt oft: Eltern sind wie Freunde. Foto: image source

30.07.2018

Alexandra, 20, lebt in einer Frankfurter Wohngemeinschaft und studiert Biowissenschaften. Sie erzählt über ihr Verhältnis zu den Eltern:

„Besonders meiner Mutter erzähle ich viel aus meinem Alltag, zum Beispiel wenn ich mich freue, weil ich eine schwierige Klausur gut bestanden habe, oder wenn ich über irgendwas nachdenke und mir Sorgen mache. Meinen Vater frage ich eher bei technischen Dingen, Autos oder Kontofragen. Solche Dinge. In Lebensfragen ist er nicht so der Experte. Er neigt dann zu Vorträgen, und das brauche ich nicht. Er weiß viel weniger von mir und ich von ihm. Trotzdem ist er irgendwie knuffig auf seine Art.

Ich freue mich, wenn meine Mutter mich an meinem Studienort besucht – sie schläft dann in meinem WG-Zimmer auf einer Isomatte. Auf dem Boden. Das würde auch nicht jede Mutter tun. Und sie sitzt mit am Frühstückstisch oder nachts bis um zwei mit uns beim Quatschen. Meine Mitbewohner sagen: Sie ist cool. Das finde ich auch, weitgehend jedenfalls.

Ich mag es auch, wenn die anderen Besuch von ihren Eltern bekommen. Fast alle haben ein entspanntes Verhältnis. Alles andere wäre ja auch uncool: Es kostet zu viel Energie, die man besser in andere Dinge steckt, in eigene Ziele zum Beispiel. Die meisten Eltern sind echt nett, und es ist oft interessant, weil sie durch ihr höheres Alter noch mal andere Perspektiven einbringen, an die man nicht denkt, wenn man 20 ist.

Eigentlich ist es lustig – manchmal tun Eltern so, als müssten wir uns eigentlich für sie schämen. Ich glaube, sie können sich gar nicht vorstellen, dass es einfach okay und wirklich ganz schön ist, wenn sie dabeisitzen und mitreden. Es ist doch nicht so wichtig, wie alt jemand ist. Hauptsache, man kommt gut miteinander klar.

Eltern sind Eltern, Freunde sind Freunde

Ich würde aber nicht sagen, dass meine Eltern meine Freunde sind. Eltern sind Eltern. Freunde habe ich zum Feiern, zum Chillen, einfach für eine gute Zeit. Das Verhältnis zu den Eltern ist viel dichter. Sie waren immer schon da und um mich herum. Ich finde, dass meine Eltern eine gute Art hatten, mich zu erziehen, und ich würde es bei meinen Kindern, sollte ich mal welche haben, so ähnlich machen wie sie bei mir.

Sie ließen mich meine eigenen Entscheidungen treffen, aber sie brauchten das Gefühl, dass ich wichtige Dinge wirklich gut durchdacht hatte. Wir haben also viel diskutiert, eigentlich alles. Diese Freiheit zu entscheiden bedeutete aber auch: Ich musste es selbst ausbaden, wenn ich einen Fehler gemacht hatte. Das war manchmal lästig, aber ich glaube, dass es mir gut getan hat, weil ich so den Mut bekommen habe, zu mir zu stehen. Und es auch kann, glaube ich.

Wenige Verbote, aber feste Regeln 

Ich kann mich nur an wenige Verbote erinnern, eher an ein paar Regeln. Meine Mutter legte zum Beispiel extrem viel Wert auf Zuverlässigkeit und konnte richtig sauer werden, wenn ich mich verspätete und nicht Bescheid sagte. Oder wenn ich keinen Fahrradhelm trug. Kann man ja auch verstehen, sie machte sich dann halt Sorgen. Wenn es in der Schule schlecht lief, versuchte sie, mir zu helfen. Zum Beispiel, mit mir einen Plan aufzustellen, wie ich Defizite aufholen konnte. Aber machen musste ich es dann allein. ,Ich kann dich nicht zwingen’, hat sie oft gesagt. ,Es ist deine Entscheidung.’

Klar nervt meine Mutter manchmal, aber wer nervt nie? Ich kann ihr das dann auch sagen, und sie denkt drüber nach. Ich bin froh, dass ich Eltern habe, mit denen ich reden kann, die sich für mich interessieren und die mich unterstützen. Bei ihnen zu Hause ist der Ort, wo ich mich ganz entspannt fühle. Da muss ich nichts beweisen, und ich werde trotzdem geliebt. Manchmal auch verwöhnt, aber darauf kommt es nicht an. Eher darauf, dass es dort keinen Druck gibt, dass ich anders sein soll, als ich bin. Wo hat man das sonst schon?”

Protokoll: Susanne Zehetbauer
aus: KDFB Engagiert 8+9/2018

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