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Deutschen wenden sich von Kirche ab

Ob Beten hilft? Die katholische Kirche verliert weiter an Vertrauen

Ob Beten hilft? Die katholische Kirche verliert weiter an Vertrauen

15.11.2023

Im nächsten Jahr soll der Anteil der christlich-konfessionell gebundenen Menschen in Deutschland unter 50 Prozent sinken. Diese Zahl prognostiziert die regelmäßige Studie zu Religiosität und Kirchenbindung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seit 1972 erscheint etwa alle zehn Jahre die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Für die aktuelle Studie wurden erstmals auch repräsentative Ergebnisse für katholische Kirchenmitglieder mit erhoben. Wenn sich der aktuelle Trend der Austritte fortsetzt, könnten demnach bereits in den 2040er Jahren nur noch halb so viele Menschen einer Kirche angehören wie noch im Jahr 2017. 

Religiosität geht zurück

Nicht nur die Kirchenbindung,  auch die Religiosität in der Gesellschaft geht deutlich zurück. Werden alle christlichen Konfessionen zusammengezählt machte deren Bevölkerungsanteil Ende 2022 insgesamt 52 Prozent aus. 23 Prozent der Deutschen sind evangelisch, 25 Prozent katholisch, 43 Prozent konfessionslos, neun Prozent gehören anderen Religionsgemeinschaften an. Nach derzeitigem Trend soll 2024 der Anteil der christlich-konfessionell Gebundenen unter 50 Prozent sinken.

Kirchenmitgliedschaft ist nicht gleich religiös

Religiöse Menschen sind in der Gesellschaft deutlich in der Minderheit. 13 Prozent der Befragten verstehen sich als kirchlich-religiös, 25 Prozent als religiös-distanziert, 56 Prozent sind Säkulare. Denn rund ein Drittel der Kirchenmitglieder betrachten sich nicht als religiös. Eine wirkliche kirchliche Bindung ist nur bei 40 Prozent der Gläubigen gegeben. Nur etwa vier Prozent der Katholischen sind sogenannte gläubige Kirchennahe, bei den Evangelisch-landeskirchlichen sind es sechs Prozent. 36 Prozent der Katholiken und 33 Prozent der Evangelisch-landeskirchlichen sind sogenannte kritische Kirchenverbundene. Die meisten Kirchenmitglieder fühlen sich mit ihrer jeweiligen Ortsgemeinde am stärksten verbunden. Am wenigsten verbunden fühlen sich die befragten Katholiken  mit dem Papst, nämlich nur sechs Prozent.

Katholische Kirche in der Vertrauenskrise

Katholische vertrauen der evangelischen Kirche mehr als ihrer eigenen Kirche. Aus Sicht der Konfessionslosen liegt die katholische Kirche auf dem letzten Bewertungsplatz, gleichauf mit dem Islam. Hinzu kommt, dass nur 27 Prozent der Katholiken einen Kirchenaustritt derzeit ausschließen. Bei den Evangelischen sind es 35 Prozent. Bei der Untersuchung vor neun Jahren waren es noch 74 Prozent. Evangelische treten der Studie zufolge vor allem deshalb aus, weil ihnen das Thema Religion und Kirche in einem längeren biografischen Prozess gleichgültig geworden ist. Bei den Katholischen spielen hingegen Emotionen wie Zorn und Wut über die eigene Kirche eine viel größere Rolle als eine schleichende Gleichgültigkeit.

Weitere Kirchenaustritte prognostiziert

 Im Zeitraum 2023 bis 2025 sei mit dem Austritt von insgesamt fast einer Million evangelischer Kirchenmitglieder zu rechnen, im Zeitraum bis 2030 mit dem Austritt von insgesamt 3,2 Millionen Menschen. Außerdem verliere die Kirche zusätzlich auch durch den demografischen Wandel und durch sinkende Taufquoten an Mitgliedern. Bei den Katholiken könnte dieser Prozess sogar noch schneller voranschreiten, heißt es in der Studie. Die Studienautoren sprechen daher von einem „Kipppunkt“, der schon in den nächsten Jahren „in erhebliche Instabilitäten und disruptive Abbrüche“ hineinführen könne.

Mehrheit der Befragten will Reformen

80 Prozent aller Evangelischen stimmen der Aussage zu, dass sich die Kirche grundlegend verändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will. Bei den Katholischen sind es sogar 96 Prozent, darunter stimmen besonders religiöse Katholische zu 92 Prozent dieser Aussage zu. So würden 95 Prozent der befragten Katholischen befürworten, wenn Priester heiraten dürften. 86 Prozent aller Katholischen, darunter 82 Prozent der besonders religiösen, stimmen auch der Segnung von homosexuellen Paaren zu. Bislang wird beides von der katholischen Lehre abgelehnt. Eine deutliche Mehrheit der befragten Katholiken und Protestanten ist auch dafür, dass beide Kirchen stärker ökumenisch zusammenarbeiten.

Kirchliche Aufgaben

Eine Mehrheit der befragten Kirchenmitglieder lehnt die Aussage ab, die Kirche solle sich auf die Beschäftigung mit religiösen Fragen beschränken. Konfessionslose stimmen dieser Aussage zwar zu etwa 60 Prozent zu, befürworten aber punktuell gesellschaftliches Engagement der Kirchen, etwa den Einsatz für Geflüchtete. Der Aussage, die Kirchen sollen sich konsequent für Geflüchtete und die Aufnahme von Geflüchteten einsetzen, stimmen 73 Prozent der Konfessionslosen, 77 Prozent der Evangelischen und 80 Prozent Katholiken zu. 78 Prozent der Konfessionslosen sind dafür, dass die Kirchen Beratungsstellen für Menschen mit Lebensproblemen betreiben soll. Das zeigt, dass obwohl die Religiosität in der Gesellschaft abnimmt, immer noch viele Menschen die Angebote der Kirche gerade im sozialen Bereich wertschätzen.

Religiöse Erziehung nimmt ab

Die Ergebnisse der Kirchenstudie bestätigt der aktuelle Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung. Er  analysiert die religiösen Einstellungen in Deutschland. In der aktuellen Ausgabe gab jede vierte Person im Alter von 16 bis 24 Jahre an, religiös erzogen worden zu sein. Wie in früheren Untersuchungen konnte  ein weiterer Rückgang religiöser Erziehung festgestellt werden. Personen, die nicht religiös erzogen worden sind, glauben nur selten an die Existenz von etwas Göttlichem, nehmen nur selten an religiösen Ritualen teil und halten sich selbst für weniger religiös. 31 Prozent der religiös Sozialisierten schätzen sich als ziemlich oder sehr religiös ein; 23 Prozent nehmen an Gottesdiensten oder dem Freitagsgebet teil. Religiöse Erziehung bewirkt aber dennoch etwas. So glauben 90 Prozent der 16- bis 35-Jährigen, die sagen, sie seien religiös sozialisiert worden, an Gott oder etwas Göttliches. 

ko/epd

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