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Als die Lehrerin noch ein Fräulein war

Sie mussten auch große Klassen im Griff haben: eine Lehrerin in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Foto: ullstein Bild/Süddeutsche Zeitung

30.10.2019

Der Weg in den Lehrberuf war für Frauen hindernisreich. Bis im Laufe des 19. Jahrhunderts die ersten Lehrerinnenseminare gegründet wurden, war es Frauen nur als Gouvernanten in vermögenden Privathaushalten möglich, Kinder zu unterrichten. Dabei handelte es sich um Töchter aus gutem Hause, die zwar gebildet waren, denen aber die Anerkennung bringende Ausbildung fehlte.

Dass Geschichten über Lehrerinnen früherer Tage immer von einem „Fräulein“ berichten, ist kein Zufall: Zur gesellschaftlichen Erwartung, dass Lehrerinnen unverheiratet bleiben, kam ab 1880 der staatliche Erlass. Das sogenannte Lehrerinnenzölibat wurde eingeführt. Denn Lehrerin zu sein und verheiratet – das passte nach Ansicht der zuständigen Behörden nicht zusammen. Den Frauen blieb nichts anderes übrig, als zwischen Beruf und Ehe zu wählen. Eine Heirat bedeutete, aus dem Beamtenverhältnis auszuscheiden und sogar den Anspruch auf ein Ruhegehalt komplett zu verlieren. Begründet wurde dies damit, dass die Frauen vor Überanstrengung durch die Doppelbelastung von Familie und Beruf geschützt werden sollten. Allerdings wurde den Arbeiterinnen auf dem Land oder in der Fabrik eine solche Fürsorge nicht zuteil. Der Verdacht, dass die weibliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt kleingehalten werden sollte, liegt nahe.

Unterrichten als Berufung

Lehrerinnen verdienten weniger als ihre männlichen Kollegen. Viele sahen den Lehrerinnenberuf nur als eine Möglichkeit der zeitlichen Überbrückung für Töchter aus bürgerlichem Hause. Nur für so lange, bis diese den passenden Ehepartner gefunden hatten.

Doch nicht allen Lehrerinnen widerstrebte das Lehrerinnenzölibat. Der Beruf der Lehrerin wurde als Berufung aufgefasst. Gerade der 1885 gegründete Verein katholischer deutscher Lehrerinnen positionierte sich hier deutlich. Die langjährige Vorsitzende Maria Johanna Schmitz schrieb: „Die Lehrerin … soll sich mit ganzer Kraft ihrem Beruf widmen. Sie soll ausscheiden aus dem Beruf, wenn sie erkennt, dass sie in die Ehe eintreten und einen anderen hochwertigen Beruf ergreifen soll. Sie soll, solange sie in der Schule steht, ungeteilt sein. Und sie soll aus diesem Erlebnis heraus die Fähigkeit haben, den Lehrberuf auch als Lebensberuf zu sehen, sich ihm für immer zu weihen…“ Es sollte bis 1951 dauern (in Baden-Württemberg sogar bis 1956), bis das Lehrerinnenzölibat endgültig abgeschafft wurde.

Die Lehrerinnen trieben die Emanzipation der Frau voran

Auch bei der Gründung des Katholischen Deutschen Frauenbundes engagierte sich der Verein Katholischer deutscher Lehrerinnen, unter den Frauenbundfrauen waren auch viele Pädagoginnen. Für Frauen bot der Beruf der Lehrerin eine der wenigen Möglichkeiten, sozialer Bevormundung zu entkommen und einen Schritt in Richtung eines emanzipierten Lebens zu gehen. So überrascht es nicht, dass Lehrerinnen in der Frauenbewegung entscheidend mitwirkten. Sie waren schließlich diejenigen, die nach einer anderen Rolle gesucht haben. Auf Familie zu verzichten, um sich bewusst beruflicher Erfüllung zu widmen, galt durchaus als emanzipative Entscheidung.

Ein kleiner Ausschnitt aus der Liste der Frauen, die diese Möglichkeit nutzten, liest sich wie das „Who’s who” der deutschen Frauenbewegung: Anita Augspurg, Gertrud Bäumer, Hedwig Dohm, Helene Lange, Clara Zetkin…

Manche nutzten ihre Ausbildung als Lehrerin als Sprungbrett in eine politische Karriere.

Diejenigen, die der Schule treu blieben, leisteten einen großen Beitrag, dass Mädchen Zugang zur Bildung erhielten. Autorin Luise Berg-Ehlers bringt dies auf den Punkt: „Ohne diese Kämpferinnen, ohne den unermüdlichen Einsatz von Lehrerinnen gegen die Ungerechtigkeit einer Gesellschaft, die Mädchen wie Frauen eine angemessene Bildung, eine politische Gleichstellung verweigerte, hätte die weibliche Emanzipation erheblich länger auf sich warten lassen.“    

Autorin: Claudia Klement-Rückel
aus: KDFB engagiert 11/2019

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist ein unabhängiger Frauenverband mit bundesweit 145.000 Mitgliedern. Seit der Gründung 1903 setzt er sich für Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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