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Pflanzen für die Ewigkeit

Blühende und lebendige Friedhöfe können grüne Oasen in der Stadt sein. Foto: James/Ulmer Verlag

02.05.2019

Sich Gedanken darüber zu machen, wie die letzte Ruhestätte für den Verstorbenen aussehen soll, ist aktive Trauerbewältigung. FriedhofsgärtnerInnen wissen, worauf man beim Anlegen eines Grabes achten sollte.

Trauernde brauchen eine Anlaufstelle, einen Platz für ihre Trauer“, sagt Birgit Ehlers-Ascherfeld. Die Vorsitzende des Bundes Deutscher Friedhofsgärtner hat in ihrem Gartenbaubetrieb täglich mit den Anliegen und Fragen von Hinterbliebenen zu tun. „Es gibt zwar einerseits den Trend zu anonymen Bestattungen und zu Friedwäldern, aber sehr vielen Menschen ist das Grab als Ort des Trauerprozesses nach wie vor sehr wichtig.“ Wer ein Grab nach einer Beerdigung neu anlegt, hat zunächst mal eines: viel Zeit. Denn die Erde muss sich setzen, sodass in Ruhe überlegt werden kann, wie man sich die Grabstätte vorstellt. In der Zwischenzeit sorgen meist Einmalblüher oder im Winter Zweige zum Abdecken für den Übergangsschmuck. Neu angelegt werden kann ein Grab von Frühling bis Herbst, wobei man die große Sommerhitze meiden sollte. Zunächst müssen die Erdarbeiten stattfinden und der Grabhügel angelegt werden. Dafür wird meist die professionelle Hilfe eines Friedhofsgärtners in Anspruch genommen.

Der Grabstein als Mittelpunkt

Dann muss der Grabstein oder das Grabzeichen ausgesucht und gesetzt werden. Ein Blick in die Friedhofsordnung ist dafür unerlässlich, denn oft gibt es bestimmte Vorgaben, an die man sich halten muss. „Das Grab ist der Ort der Erinnerung an einen lieben Menschen, und deshalb sollte das Grabzeichen als Denkmal immer optisch im Mittelpunkt stehen und nie von der Bepflanzung verdeckt werden“, erklärt Christiane James. Die gelernte Gärtnerin arbeitet als Fachjournalistin für den Bereich Grabpflege und hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht. Die Gestaltung des Grabes sollte auch vom Grabstein ausgehen. Das heißt, man sollte dessen Farben und dessen Stil bei der Bepflanzung aufgreifen. Auch Formelemente des Grabsteins können sich in der Anordnung der Pflanzen wiederholen. Um sicherzugehen, dass es sich um einen Grabstein handelt, der ohne Kinderarbeit hergestellt wurde, kann man einen deutschen oder europäischen Stein aussuchen oder auf das Siegel XertifiX achten.  

Hell oder dunkel

Erheblich leichter wird die Pflege des Grabs, wenn man die Pflanzen passend zum Standort auswählt. Liegt das Grab in der Sonne, im Schatten oder im Halbschatten? Eine Übersicht über passende Bodendecker, je nach Lichtverhältnissen, findet sich unter www.bund-deutscher-friedhofsgaertner.de

Farbe fürs Grab

Die Bepflanzung selbst wird in drei Gruppen unterteilt, die aus gestalterischer Sicht unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Bodendecker, Rahmenbepflanzung und Wechselbeet. „Sinn des Bodendeckers ist es, durch die einheitliche Fläche optische Ruhe zu bringen“, erklärt Christiane James.  „Mit der Rahmenbepflanzung, die etwas höher ist, wird das Grabzeichen in die Gestaltung eingebunden. Bei diesen beiden Gruppen werden meist Gehölze, Stauden und Gräser gepflanzt, die viele Jahre stehen können.“ Im Gegensatz dazu besteht die Wechselbepflanzung aus blühenden, nicht winterharten Pflanzen, die etwa dreimal im Jahr ausgetauscht werden. Sie bringt Farbe aufs Grab. Die Bepflanzung hat auch eine ganz praktische Seite: Ist das Grab mit einem dichten Teppich bepflanzt, hat Unkraut nicht mehr viele Chancen, sich auszubreiten. Birgit Ehlers-Ascherfeld sieht durchaus einen Trend zu mehr Individualität bei der Gestaltung: „Man ist da mittlerweile ziemlich frei. Die Bedürfnisse haben sich einfach geändert. Früher legte man zum Beispiel fest, wie groß der Anteil an Wechselbeet im Verhältnis sein soll. Heute würde ich keine Vorgaben mehr machen, was Farben oder Fläche der einzelnen Gestaltungsbereiche betrifft.“

Pflegeleicht und trotzdem schön

Ein erheblicher Teil des Wissens über Pflanzen ist nach der Erfahrung von Fachbuchautorin Christiane James in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen. „Die Generation, die jetzt die Grabpflege übernimmt, hat das Gärtnern nicht mehr von den Eltern gelernt.“ Dazu kommt, dass durch die Anforderungen der heutigen Zeit viele Menschen weiter weg vom Friedhof leben. Aber wie gestaltet man das Grab pflegeleicht? „Natürlich ist es auch möglich, ein reines Grüngrab zu gestalten. Das kann auch sehr ansprechend aussehen“, erklärt James. Die Grünpflanzen müssen dann zweimal im Jahr in Form geschnitten werden. In extremen Sommern wie im letzten Jahr muss zwar trotzdem gegossen werden, dennoch ist es sehr viel weniger pflegeintensiv. Wenn man nicht selbst wässern kann, kann man auch nur für diese Leistung einen Friedhofsgärtner beauftragen. „Die Preise sind nach Region unterschiedlich.  Mit 100 Euro pro Jahr kommt man beim Gießen aber schon sehr weit“, erklärt die Fachfrau.   Birgit Ehlers-Ascherfeld arbeitet gerne mit mehrjährigen Stauden, die jedes Jahr wieder neu blühen. Wer auf die Wechselbepflanzung verzichtet, reduziert den Pflegeaufwand erheblich. Noch einen wichtigen Rat gibt die Vorsitzende des Bundes Deutscher Friedhofsgärtner mit auf den Weg. „Wir raten seit Jahren komplett von Buchs ab. Wenn die Pflanzen nicht von einer Pilzerkrankung betroffen sind, dann vom Zünsler – einer Schmetterlingsraupe, die die Pflanzen kahl frisst. Wir empfehlen daher dringend Alternativen. Gut eignet sich zum Beispiel die Japanische Stechpalme (Ilex crenata) oder die Heckenmyrte (Lonicera nitida). Wenn das Grab im Schatten liegt, arbeiten wir auch mit Eibe“, erklärt sie.  

Der Friedhof als Lebensader

Trotz aller Freiheit des Gestaltens: Bei einem Thema wird Birgit Ehlers-Ascherfeld sehr deutlich. Gräber ausschließlich mit Kiesel oder Stein zu gestalten, entspricht, wie man es von einer Gärtnerin auch nicht anders vermuten würde, nicht ihrer Vorstellung. „Da bin ich öko“, sagt sie. Und: „Wer schon einmal Birkenlaub aus dem Kiesteppich geklaubt hat, weiß auch, dass das nicht unbedingt pflegeleicht ist.“ Aber schwerer wiegt für sie, dass der Friedhof eine Lebensader sein soll mit Lebensraum und Nahrung für Insekten und Kleinstlebewesen. „Gerade in Städten sind Friedhöfe grüne Oasen, die auch zur Kühlung beitragen. Wir diskutieren über Umweltzonen bei Autos, aber unsere Friedhöfe und Vorgärten verdichten wir mit Steinen. Das ist umweltschädlich“, ist sie überzeugt. Sie lässt sich von der Vision eines blühenden und lebendigen Friedhofs mit Pflanzen, Tieren und Menschen leiten. Welche Bedeutung die Grabstätte für die Angehörigen hat, wird mitunter unterschätzt, ist die Erfahrung von Christiane James: „Ich rate allen Familien, sich mit dem Thema Grab weit vor dem Ernstfall zu beschäftigen. Denn das Grab ist nicht nur für den Verstorbenen, sondern vor allem für die Lebenden wichtig, damit sie einen Platz für ihre Trauer haben.“

Gärten der Erinnerung: Ein Friedhofsmodell für die Zukunft?

Ein Erinnerungsgarten auf dem Friedhof mit vielen verschiedenen Grabstellen nah beieinander. An alle dort Ruhenden erinnert ein kleiner Grabstein oder eine Stele. Das ganze Jahr über blüht etwas auf dem liebevoll gepflegten großen Beet, weil sich Friedhofsgärtner um alles kümmern. Insekten summen, Bänke laden die Hinterbliebenen zum Verweilen ein. Was sich wie eine Wunschvorstellung von einem etwas anderen Friedhof anhört, ist vielerorts schon Realität. Memoriam-Gärten oder Gärten der Erinnerung sind eine von Gärtnerhand gestaltete harmonische Grabanlage. Ein Garten im Friedhof, der Antworten auf die Bedürfnisse der heutigen Zeit gibt.

Gepflegte Gräber  – auch wenn die Angehörigen nicht um die Ecke wohnen

„Nur noch dreißig Prozent unserer Kunden wohnen in der Nähe. Das war früher anders“, erklärt Friedhofsgärtnerin Birgit Ehlers-Ascherfeld. Doch was tun, wenn man bei Sommerhitze nicht jeden Tag zum Gießen vorbeikommen kann, wenn man nicht immer pünktlich zum Pflanzbeginn vor Ort ist? Eine größere Entfernung bedeutet nicht weniger Verbundenheit. Die Angehörigen wünschen sich eine ansprechend gestaltete Grabstätte, auch, wenn sie nicht regelmäßig vorbeikommen können. Wer sich für eine Bestattung in einem Memoriam-Garten entscheidet, erwirbt die Grabpflege für die nächsten zwei Jahrzehnte gleich mit. Von Anfang an kümmern sich dann die Friedhofsgärtner um die Grabanlage. Vor allem in Baden sind Memoriam-Gärten verbreitet. Doch der Trend setzt sich fort und macht Friedhofskultur zukunftstauglich. Eine Übersicht über bestehende Gärten bietet die Seite www.memoriamgaerten.de. Mancherorts finden sich ähnliche Angebote unter anderem Namen. Fachbuchautorin Christiane James hat sogar die Erfahrung gemacht, dass dort, wo Erinnerungsgärten angeboten werden, der Trend zur Feuerbestattung rückläufig ist. Anonyme Bestattungen gibt es in Memoriam-Gärten nicht. An alle Verstorbenen wird namentlich erinnert. 

Autorin: Claudia Klement-Rückel
aus: KDFB Engagiert 5/2019 

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